Wirecard Aktie: Auch nach dem Crash immer noch viel zu teuer?
Mit einem gestrigen Tradegate-Schlusskurs der Wirecard Aktie bei 3,00 Euro bringt es der insolvente DAX-Konzern nach wie vor auf eine Marktkapitalisierung von 371 Millionen Euro. Schaut man sich andere Insolvenzwerte an der Börse an, die nur noch wenige Millionen Euro „wert” sind, falls überhaupt, dann wird klar: Der Weg nach unten ist für den Aktienkurs, der im September 2018 rund um die DAX-Aufnahme bei 199 Euro sein Allzeithoch verzeichnete, noch sehr weit.
Es ist nicht unüblich bei Insolvenzfällen von Unternehmen mit „Fanclub”, dass wild über mögliche Rettungsversuche, versteckte riesige Bilanzwerte, von unmittelbar bevorstehenden Übernahmeangeboten und ähnlichen Dingen spekuliert wird. Was dabei meist übersehen wird: Seit dem Insolvenzantrag sind die Aktionäre nicht mehr die Gruppe, um die es geht, sondern die Gläubiger, deren Forderungen möglichst umfassend bedient werden sollen. Es ist ein Irrtum, dass am Ende solcher Prozesse noch irgendwas von Wert für Aktionäre übrig bleibt. Übliche Irrtümer in Insolvenzfällen zeigen oft auch die Spekulationen um potenzielle Übernahmeangebote: Meist hoffen sie Akteure, dass diese für das Gesamtunternehmen abgegeben werden. Die bittere Realität sieht anders aus: Kaufen Interessenten etwas in Insolvenzfällen, sind es noch werthaltige, profitable, strategisch oder technologisch interessante einzelne Geschäftsteile des insolventen Unternehmens, die man angesichts der Lage des Verkäufers zu günstigen Preisen erhalten kann. Dass am Ende dieser „Aushölung” des Konzerns noch etwas für die Aktionäre der Muttergesellschaft übrig bleibt, kann niemand ernsthaft erwarten. Das gilt auch für Wirecard, wo niemand so recht weiß, welche Umsätze und Ergebnisse das Unternehmen und dessen Tochtergesellschaften ohne Bilanztricksereien überhaupt erzielen könnten.
Im Fall Wirecard kommt hinzu: Das Unternehmen sieht sich nicht nur als überschuldet und zahlungsunfähig an. Der Bilanzskandal birgt weiter riesige Unsicherheiten und könnte eine Klagewelle nach sich ziehen, bei denen milliardenschwere Forderungen gegen die Gesellschaft aufkommen werden, falls sich Geschädigte nicht gleich an Wirecards Wirtschaftsprüfer EY wenden - einige Anwälte raten dazu, da bei Wirecard eh nichts zu holen sei. Wie aussichtsreich solche Prozesse sein mögen, steht zwar auf einem anderen Blatt, bedeutet aber jahrelange hohe Prozessrisiken zusätzlich zu der fundamental völlig unklaren Gesamtlage bei Wirecard. Das sind Risiken, denen sich kein Zukäufer aussetzen will. Ein Übernahmeangebot für den Gesamtkonzern Wirecard wäre daher ein Sechser im Lotto - ein völliger Zufallstreffer und nichts, womit sich an der Börse „zocken” lässt.
Die „dead cat” Wirecard wird wahrscheinlich trotzdem die Trader, Zocker und Glücksritter an der Börse weiter beschäftigen, die Volatilität wird nach dem Crash hoch bleiben. Wer hier mitspielt, geht hohe Risiken ein, zumal das Ende der Geschichte - siehe oben - eigentlich schon fest steht. So richtig einsehen möchten das viele noch nicht. Aktuelle Indikationen für Wirecards Aktienkurs liegen am Freitagmorgen bei 2,75/2,83 Euro und damit nicht weit unter dem gestrigen Tradegate-Schlusskurs. Von den 371 Millionen Euro gestrigen Restbörsenwert des einst viele Milliarden Euro teuren Unternehmens ist bisher also nur ein kleiner Teil abgeschmolzen.
Und während sich die Deutsche Börse AG weiter aufgrund ihrer eigenen Regularien außerstande sieht, Wirecards Aktien aus dem DAX zu befördern, sind andere Aktienindizes weiter: Ab Dienstag werden Wirecards Anteilscheine nicht mehr dem Aktienindex Stoxx Europe 600 angehören. Übrigens ist auch für dieses „Börsenbarometer” die Deutsche Börse AG über ihre Index-Tochter Stoxx Ltd. verantwortlich.