Adler Modemärkte, Wirecard: Kasse machen mit Pleiteaktien? - BÖAG Kolumne
Die Sprünge an der Börse wirken faszinierend: Ein Aktienkurs kann um ein Vielfaches steigen, aber „nur” um 100 Prozent fallen. Dazu ein Blick auf zwei prominente deutsche Pleiteaktien:
Vor einem Jahr kam die Ad-hoc-Meldung von Wirecard, dass der Jahresabschluss nicht wie geplant vorgelegt werden kann, weil 1,9 Mrd. Euro in der Bilanz fehlen. Das bedeutet Insolvenz. Am gleichen Tag halbiert sich der Kurs des DAX-Unternehmens; dann geht es nochmals um 50 Prozent abwärts. Die Aktie fällt in zwei Tagen von 105 auf ca. 25 Euro; am Ende der nächsten Woche steht sie bei 1,42 Euro - minus 98,6 Prozent seit der Nachricht. Spekulanten treiben den Wert dann nochmal in Richtung 10 Euro, aber derzeit stehen nur ca. 40 Cent auf dem Kurszettel. Dem wohl größten Finanzskandal der Nachkriegsgeschichte widmete sich ein parlamentarischer Untersuchungsausschluss, der gestern seinen Abschlussbericht vorstellte.
Ohne Betrugshintergrund in den Schlagzeilen sind gerade Adler Modemärkte. Das Unternehmen stellte diesen Januar den Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung, was den Kurs von 2,28 Euro um zwei Drittel auf 0,74 Euro einbrechen ließ (zu Höchstzeiten im Jahr 2015 waren es 14 Euro). Bis April pegelte sich die Aktie bei ca. 20 Cent ein, also über 90 Prozent Verlust, was zu erwarten war. Doch Mitte Mai wurde der Wert von deutschen Internet-Foren entdeckt und schoss ohne nennenswerte Nachrichten um bis zu 650 Prozent in die Höhe. Der erste deutsche „Meme Stock”? Viele Hobby-Spekulanten wollten mit dabei sein! Doch der Hype dauerte keine sechs Wochen. Gestern der Schock: Der insolvente Betrieb wird übernommen und sein Börsenlisting verlieren. Dabei wird über einen Kapitalschnitt das bestehende Eigenkapital mit den Verlusten verrechnet, was den Wert der Aktien auf 0 Euro sinken lässt. Statt bei 1,50 Euro vor zwei Wochen notiert der Kurs heute bei rund 20 Cent. Damit haben die Zocker wohl nicht gerechnet.
Also, Finger weg bei Pleiteaktien! Was sich beim Kurs nach dem Absturz noch bewegt, wird an der Börse auch als Dead-Cat-Bounce bezeichnet.
Autor: Thomas Strelow, Börse Düsseldorf