Wirecard: Börse demonstriert Zuversicht, nun muss der DAX-Konzern liefern - Kommentar
Seit Januar 2019 wurde viel über Wirecard und die Bilanzen, Corporate Governance, Mitteilungen, Directors Dealings und viele andere Dinge des Unternehmens geschrieben. Kaum einer der kleineren DAX-Titel hatte eine derart massive Resonanz bei Medien und Anlegern - und bei kaum einen ging es so kontrovers zu. Auch an dieser Stelle: Unsere Redaktion ließ, wie es sich journalistisch gehört, sowohl Wirecards Kritiker als auch das Unternehmen und Analysten zu Wort kommen. Wir berichteten über charttechnische Chancen und Risiken beim volatilen Aktienkurs, der immer wieder schnelle Gewinne mit Trades zuließ - in beide Richtungen.
Was wir in all dieser Zeit nicht gemacht haben: Unsere journalistische Neutralität gefährdet. Niemand bei uns profitierte und profitiert von Kursbewegungen der Wirecard-Aktie, weder in die eine noch in die andere Richtung und auch nicht mit Derivaten oder anderen Finanzinstrumenten. Es ist seltsam genug, dass man diese für den Journalismus an sich selbstverständlichen Dinge an dieser Stelle einmal explizit betonen muss.
Immer wieder wurde es auch mal grotesk, wenn es um Wirecard ging. Spion-Geschichten, vermeintliche Hacker-Attacken - alles war dabei. Auch Nationalismus. Als wäre die Diskussion um Wirecard nicht ohnehin schon unglaublich emotional aufgeladen, tauchten im Laufe der Zeit immer häufiger Hinweise in Internet-Boards, auf twitter oder auch in Zuschriften an unsere Redaktion auf, dass das Unternehmen deutsch sei. Das hat die Stimmung unnötig weiter aufgeladen - so als ob es Aufgabe hiesiger Medien sei, das Unternehmen allein deshalb gegen internationale Kritik zu verteidigen, weil es seinen Sitz in Deutschland hat.
Kommt bei Wirecard nun endlich Ruhe rein?
Heute nun könnte - erneut - ein Schlussstrich unter die zunehmende Eskalation beim Thema Wirecard gezogen werden. Das Unternehmen wird die Bilanz für 2019 vorlegen. Ob dies die Diskussion wirklich beenden kann oder nach dem Termin von den weiter aktiven Kritikern neue Zweifel am Unternehmen erhoben werden, wird sich zeigen. Vom KPMG-Audit erhofften sich viele bereits einen solchen beruhigenden Effekt, doch dies konnte der Report nicht leisten. Das lag nicht zuletzt daran, dass trotz der vielen Wirecard entlastenden Punkten auch einiges zutage gefördert wurde, was alles andere als positiv für den DAX-Konzern war.
Und so sind es heute vor allem vier Dinge, die die Anleger interessieren werden:
- Vergibt EY ein uneingeschränktes Testat oder nicht?
- Wie stark ist Wirecards Gewinn gewachsen und wie hat sich der Cashflow entwickelt - 2019 wie auch im 1. Quartal 2020?
- Welche operativen Aussichten und konkreten Prognosen für Umsatz und EBITDA gibt Wirecard ab und welchen Einfluss hat die Corona-Pandemie?
- Welche weiteren Konsequenzen zieht Wirecard aus den Schlussfolgerungen im KPMG-Audit und der Kritik an der Corporate Governance des Unternehmens?
Der heutige Donnerstag wird Antworten auf diese Fragen bringen. Und wahrscheinlich auch starke Kursbewegungen. Mit den jüngsten diversen charttechnischen Kaufsignalen bei der Wirecard Aktie, unter anderem gestern am Widerstand bei 101,60/102,20 Euro hat die Börse Zuversicht demonstriert. Nun muss Wirecard liefern.