Aurelius, Ströer, ThyssenKrupp: Wen attackieren die Krawallmacher als nächstes?

Abstürzende Börsenkurse, schlechtes Image und Rücktritte in der Führungsetage: Zahlreiche deutsche börsennotierte Konzerne wurden in den vergangenen Jahren von finanzstarken, meist international agierenden Aktionären attackiert - meist mit negativen Folgen wie unlängst beim langjährigen Blue Chip ThyssenKrupp. Dabei treten sowohl aktivistische Aktionäre wie Elliott oder Third Point auf den Plan als auch sogenannte Short Seller wie Muddy Waters, die mit Leerverkäufen auf fallende Kurse setzen. Mittlerweile ist die Liste der Opfer lang und ein Ende der Attacken nicht absehbar.
Insgesamt war hierzulande bereits gut ein Drittel aller Unternehmen Ziel einer Attacke aktivistischer Aktionäre, ergab eine Studie des Bundesverbandes der Unternehmensjuristen e.V. (BUJ) gemeinsam mit Corporate Legal Insights (CLI) und der Wirtschaftskanzlei CMS. Und schon im Dezember 2017 warnte Dirk Albersmeier, der das europäische Geschäft mit Fusionen und Übernahmen (M&A) bei JP Morgan leitet, laut Handelsblatt: „Kein deutscher Konzernchef möchte derzeit von einem aktivistischen Investor auf dem falschen Fuß erwischt werden.“
Aktivistische Aktionäre („Shareholder Activism“) verfolgen mit ihrer Kampagne und Einflussnahme das Ziel, den Börsenkurs des jeweiligen Unternehmens zu steigern. Dabei können die Vorwürfe und Vorschläge durchaus berechtigt sein und tatsächlich zu einem höheren Unternehmenswert respektive Börsenkurs führen – wie beispielsweise die Konfrontation zwischen Third Point und Nestlé zeigt. Oftmals setzen Angreifer darauf, einen Platz im Aufsichtsrat zu erhalten. Höhere Dividenden oder die Aufspaltung des jeweiligen Konzerns sind ebenfalls beliebte Forderungen. Teilweise üben sie auch medial Druck auf die Unternehmen aus oder nutzen die Hauptversammlung zur Stimmungsmache.
Auf fallende Kurse setzen hingegen die sogenannten Short-Seller („Investor Activism“). Mit der Veröffentlichung extrem kritischer Berichte – meist mit Hilfe bislang unbekannter und zum Teil dubioser Research-Häuser – versuchen die Leerverkäufer, die Börsenkurse ausgewählter Unternehmen zu drücken, nachdem die Krawallmacher zuvor eine Short-Position in der jeweiligen Aktie eingegangen sind. Bei solchen Attacken müssen die betroffenen Emittenten sowohl mit einem erheblichen Reputationsschaden als auch kräftigen Kursverlusten rechnen. Die Aktie des Werbekonzerns Ströer fiel nach der Attacke um 33 Prozent, die der Beteiligungsholding Aurelius um 40 Prozent. Bis sich Aktienkurs und Image erholen, dauert es teils viele Monate.
Trotz der zunehmenden Sorge sind viele Unternehmen offenbar nur wenig gegen eine mögliche Attacke gerüstet. Nur 38 Prozent der Unternehmen haben eine Gegenstrategie vorbereitet, falls ein Aktivist anklopft. Ähnliches gilt für Konflikte mit Short-Sellern: Laut der Studie verfügt nur etwa ein Viertel der Unternehmen über ein entsprechendes Risiko- und Präventionsmanagement für den Angriff von Leerverkäufern. Auch der Top-Manager eines attackierten Unternehmens weist darauf hin, dass der „deutsche Kapitalmarkt nicht auf das Thema Short Attacke vorbereitet ist“.
Kommunikation ist die beste Verteidigung. Eine schnelle Reaktion am Kapitalmarkt und in den Medien seitens des attackierten Unternehmens dürfte sich auszahlen, wenn Short Seller und Aktivisten zum Angriff blasen. „Um Aktivisten zuvorzukommen, müssen Unternehmen heute ihre Kommunikation mit Aktionären so anpassen, dass sie möglichst proaktiv kommunizieren“, urteilte Dorothee Blessing, Vizechefin des europäischen Investmentbankings bei JP Morgan, im September 2018 in einem Handelsblatt-Interview.
Über den Autor:
Christian Dose, Spezialist für Investor Relations, ist Senior Consultant bei der Kommunikationsberatung WMP Finanzkommunikation GmbH. Er verfügt über langjährige Erfahrung in der Beratung börsennotierter Unternehmen und ist überdies Dozent für Investor Relations und Corporate Publishing an mehreren Hochschulen und Universitäten in Deutschland und Österreich.