Deutschland: ZEW - gemischtes Stimmungsbild im September - Nord LB
Soeben hat das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) aktuelle Ergebnisse seiner monatlichen Umfrage unter Finanzmarktexperten veröffentlicht. Demnach haben sich die Konjunkturerwartungen im September überraschend von 34,7 auf nun 37,3 Saldenpunkte leicht verbessert. Allerdings hat sich die ohnehin schon negative Einschätzung der gegenwärtigen Situation den zweiten Monat in Folge nochmals deutlich verschlechtert. Die Lagekomponente sackte von -68,6 auf nur noch -76,4 Punkte ab. Für die Eurozone haben sich im Gegensatz hierzu beide Teilkomponenten leicht verbessert.
Die heutigen Daten fallen in der Summe besser aus als die zuvor befragten Analysten und Volkswirte erwartet hatten. Die Finanzmarktexperten folgen damit nicht den negativen Vorgaben aus der ähnlich angelegten sentix-Umfrage. Allerdings müssen die etwas verbesserten ZEW-Erwartungen vor dem Hintergrund der nochmals deutlich schlechteren Lagebeurteilung gesehen werden. Je schlechter die aktuelle Lage beurteilt wird, desto eher neigen die befragten Finanzmarktexperten dazu, eine Verbesserung für die Zukunft anzunehmen. Insgesamt betrachtet ist jedenfalls die Indikation für das in der kommenden Woche anstehende ifo-Geschäftsklima trotz der Überraschung bei den Erwartungen leicht negativ.
Es bleibt zudem abzuwarten, ob sich die Erwartungen der Unternehmenslenker ebenfalls im laufenden Monat aufhellen können. Das aktuelle globale Umfeld und auch einige neue Ernüchterungen im Inland belasten am aktuellen Rand weiter die Stimmung. Nach quälend langen drei Jahren Abschwung und Stagnation ist die Hoffnung natürlich groß, dass es endlich zu einer Aufhellung kommt. Die deutliche Abschwächung der ZEW-Lagekomponente spricht ebenso wie eine ganze Reihe weiterer Indikatoren jedoch für ein abermals schwaches drittes Quartal. Deutschland gelingt es in diesem Jahr noch nicht, aus der wirtschaftlichen Stagnation nachhaltig auszubrechen. Bezeichnend ist, dass im gleichen schwierigen Umfeld die Einschätzungen für die Eurozone weiterhin deutlich positiver ausfallen.
Die Fiskalprogramme haben das Potenzial, der deutschen Wirtschaft endlich den notwendigen Schub zu geben. Die mittelfristigen Aussichten bleiben daher positiv, allein durch den Hochlauf der Investitionen und eine expansivere Fiskalpolitik dürfte die deutsche Wirtschaft im Jahr 2026 wieder auf den Wachstumspfad zurückkehren. Bei der Umsetzung ist es jedoch bedauerlich, dass durch eine ganze Reihe von Verwässerungen die langfristigen Wachstumseffekte geringer ausfallen dürften als theoretisch möglich wäre. Dies war zwar zu erwarten, ärgerlich ist es angesichts des Bedarfs an neuer Schubkraft aber schon.
Für die EZB gehen von den heutigen Daten zur Konjunkturstimmung keine neuen Impulse aus. Das aktuelle Makroumfeld erzeugt für die Währungshüter keinen akuten Handlungsdruck. Durch die zumindest leichte Verbesserung der Konjunkturerwartungen dürfte die Erwartung baldiger weiterer Zinssenkungen zumindest keinen neuen Auftrieb erhalten. So preisen die Marktteilnehmer seit der EZB-Sitzung in der vergangenen Woche keinen ganzen Zinsschritt mehr ein, und auch aus dem EZB-Rat kommen im Moment mehrheitlich Signale, dass man aktuell eher keine Notwendigkeit für niedrigere Zinsen sieht. Dies könnte sich jedoch Anfang 2026 wieder ändern, wenn die Inflation zeitweise deutlich vom Zielwert abweicht. Auch wenn es einem Münzwurf gleicht, erwarten wir weiter eine letzte Zinssenkung.
Fazit: Für die Konjunkturstimmung in Deutschland ergibt sich im September ein gemischtes Bild. Zwar haben sich die ZEW-Konjunkturerwartungen auf 37,3 Saldenpunkte leicht verbessert. Gemessen an den Vorgaben von sentix und den Prognosen von Analysten ist dies durchaus überraschend. Zugleich wird aber die aktuelle Lage mit -76,4 Punkten nochmals deutlich schlechter als im Vormonat beurteilt, was den leichten Anstieg der Erwartungen relativiert. Zudem spricht dies für eine Fortsetzung der Stagnationsphase. Erst im kommenden Jahr ist mit der expansiveren Fiskalpolitik eine Rückkehr zu Wachstum in Sicht, das geopolitische Umfeld bleibt aber ein Bremsklotz. Die Messe für eine mögliche letzte Zinssenkung der EZB ist daher noch nicht gelesen.
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