Softing: „Wir haben sehr gute Fortschritte gemacht“

Die Softing Gruppe verstärkt sich mit der Übernahme von Delta Logic, einem Spezialisten für die Kommunikation mit Industriesteuerungen von Siemens. „Delta Logic verfügt über eine außerordentliche Kompetenz und passt perfekt zu uns“, erläutert Softing-CEO Wolfgang Trier im Exklusivinterview mit unserer Redaktion. Bezüglich der Jahresziele 2025 sieht sich Trier trotz einem schwächeren Jahresstart im Industrial-Geschäft auf gutem Weg: „Wir sehen Zeichen einer ersten Erholung. Der zunehmende Auftragseingang deutet für das zweite Halbjahr eine deutliche Erhöhung der Umsätze an.“ Im Automotive-Segment, das entgegen dem negativen Markttrend zuletzt deutlich zulegen konnte, lassen neue Software-basierte Lösungen ab 2026 zusätzliche „margenstarke Umsätze“ erwarten.
4investors.de: Das Jahr 2024 und auch das erste Quartal 2025 waren branchenweit von einer deutlichen Konsolidierung geprägt, der sich auch die Softing AG nicht entziehen konnte. Welche konkreten Maßnahmen haben Sie ergriffen, um auf die wirtschaftlichen Herausforderungen zu reagieren?
Trier: Wir haben bereits Mitte 2024 begonnen, unsere strategische und operative Positionierung zu überprüfen und ein umfassendes Optimierungsprogramm aufzulegen. Die drei zentralen Elemente darin sind Konzentration auf das strategische Kerngeschäft, Kostenkontrolle und Lagerabbau. In allen drei Elementen haben wir sehr gute Fortschritte gemacht. Wir bereinigen das Portfolio um nicht-strategische Themen und haben mit der in der vergangenen Woche gemeldeten Akquisition von Delta Logic den strategischen Kern geschärft. Wir setzen die Mittel, die andernfalls in eine Dividende geflossen wären, für diese und weitere Chancen zum Wachstum ein. Die in diesem Jahr relevanten Kostensenkungen werden sich beginnend mit dem zweiten Quartal in den Zahlen niederschlagen. Die Freisetzung von Liquidität durch Lagerabbau hat schon im vergangenen Jahr begonnen und setzt sich im laufenden Jahr weiter fort.
4investors.de: Besonders das Segment Industrial war deutlich rückläufig. Welche Rolle spielt dabei die Konjunktur, welche der Zollkrieg?
Trier: Die Situation war schon herausfordernd. Die neue US-Administration hat dies mit ihrem erratischen Verhalten noch einmal deutlich verstärkt, mehr noch zum Nachteil der USA, denn zu Lasten Dritter. So litt die Industrieautomation bereits im vergangenen Jahr unter der Investitionszurückhaltung ihrer Kunden. Das gilt in unterschiedlicher Ausprägung für Europa und Amerika. In Asien fällt China aufgrund erheblicher wirtschaftlicher Probleme und politischer Vorgaben vorerst als Lokomotive aus. Indien wächst, kann dies im Volumen jedoch (noch) nicht ersetzen.
4investors.de: Gibt es auch strukturelle Probleme, die Sie intern adressieren müssen?
Trier: Interne Herausforderungen gibt es wie immer auch. Diese werden mit unserem Optimierungsprogramm adressiert. Insgesamt sind wir optimistisch, dass sich die Situation im weiteren Jahresverlauf deutlich verbessern wird. Unsere Kunden müssen auf mittlere Sicht Anlagen modernisieren und erneuern. Die Industrieautomation wird wieder auf den Wachstumspfad zurückkehren.
4investors.de: Kommen wir noch einmal zurück auf die Belastung durch die aggressive Zollpolitik der US-Administration, die Sie auch in Ihrer Q1-Mitteilung herausstellen. Welche direkten Auswirkungen sehen Sie für Softing – insbesondere im Segment Industrial – konkret im Tagesgeschäft oder bei den Investitionsentscheidungen Ihrer Kunden?
Trier: Das Vorgehen der US-Administration ist geradezu kafkaesk. Starke Meinungen ersetzen Fakten und kaum einer weiß in den USA, wann er den Zorn des „Möchtegern-Monarchen“ auf sich zieht. Amazon darf keine Transparenz zu den zollbedingten Zusatzkosten für Kunden anbieten, Walmart wird „aufgerufen“, die Belastungen aus den Zöllen zu absorbieren und die Pharmaindustrie soll „freiwillig“ ihre Preise senken. Kürzungen der Forschungsmittel bei Forschungsinstituten und die erklärte politische Einflussnahme auf die Lehre an Universitäten tun ein Übriges. Forscher verlassen das Land, der Tourismus bricht um 10 bis 15 Prozent und mehr ein. Gegen Verbündete und enge Wirtschaftspartner wird die Zollkeule geschwungen, selbst Pinguin-Inseln werden nicht verschont. Nur der Freund in Russland wird ausgenommen, schließlich habe ja die Ukraine und nicht Russland den Krieg zu verantworten.
Wer bitte will da investieren? In diesem unsicheren Klima werden Investitionen – sofern irgend möglich – zurückgehalten. Wer nicht weiß, auf welche Weise und zu welchen Kosten er seine Produkte auf den Markt bringen kann, investiert zunächst einmal gar nicht. Nach über 45 Jahren Erfahrung und persönlicher Bindung an die USA betrachtet man diese Entwicklung mit großem Unverständnis.
4investors.de: Im Gegensatz dazu verzeichnet Ihr Segment Automotive ein deutliches Wachstum – erneut knapp 50 Prozent. Können Sie erläutern, woher diese Impulse kamen und wie Ihre Pipeline für das kommende Jahr aussieht?
Trier: Unser Segment Automotive ist derzeit über langlaufende Projekte nicht nur vor dem derzeit dramatischen Klima in der Automobilindustrie geschützt. Es kann selbst in diesem Umfeld noch wachsen. Die Ausweitung unserer Produkte zur Ausstattung der Fertigungsbänder von Automobilherstellern mit Infrastruktur hat ein neues Tor zu langfristigen Programmen aufgestoßen, das über Jahre tragen wird. Bei kurzfristig wirksamen Einzelleistungen für die Automobilindustrie steuern wir trotz geringem Auftragsvolumen mit Kurzarbeit unsere Kosten effektiv. Zudem sehen wir auch hier Zeichen einer ersten Erholung. So rechnen wir etwa ab Jahresmitte mit einer Rückkehr zur Auslastung unserer Kapazitäten.
Und was die Pipeline für das kommende Jahr betrifft, so haben wir parallel bereits neue Software-basierte Lösungen entwickelt, die unsere Kunden heute schon in konkreten Vorprojekten überzeugt haben. Hier ist beginnend in 2026 mit neuem und margenstarkem Umsatz zu rechnen, der teils auslaufende Projekte ersetzen und neues Wachstum generieren wird.
4investors.de: Das operative Ergebnis im Segment Automotive ist deutlich gestiegen, das EBIT allerdings nur leicht. Sie führen dies auf hohe Abschreibungen zurück. Rechnen Sie mit einer Entlastung in den kommenden Quartalen, oder bleiben diese Abschreibungen mittelfristig bestehen?
Trier: Zum einen werden die Abschreibungen auf die Neuentwicklungen für die Produkte in der Automobilfertigung zurückgehen. Zum anderen haben wir im ersten Quartal auch noch überproportional hohe Kosten im Zusammenhang mit der Absicherung der für den Einsatz dieser Produkte notwendigen extrem hohen Zuverlässigkeit im laufenden Betrieb verbucht. Beide Belastungen werden im Laufe der nächsten Quartale schrittweise reduziert.
4investors.de: Die Guidance für 2025 mit einem Umsatz zwischen 90 und 105 Millionen Euro sowie einem operativen EBIT zwischen 3 und 3,5 Millionen Euro wurde bestätigt. Worauf basiert Ihr Vertrauen in eine deutliche Verbesserung im zweiten Halbjahr, trotz des aktuell volatilen Umfelds?
Trier: Der zunehmende Auftragseingang im Segment Industrial, dem in Umsatz und Ertrag traditionell einflussreichsten Segment bei Softing, deutet für das zweite Halbjahr eine deutliche Erhöhung der Umsätze an, wenngleich noch von einer niedrigen Basis kommend. Entscheidend wird sein, ob sich dieser Trend fortsetzt. Sollte es etwa neue geopolitische Verwerfungen wesentlichen Ausmaßes geben, müssten die Auswirkungen neu bewertet werden.
4investors.de: Am 9. April haben Sie die Delta Logic Automatisierungstechnik GmbH übernommen. Die Gesellschaft ist im Bereich Industrial tätig – also genau in dem Segment, das derzeit unter Druck steht. Was versprechen Sie sich strategisch von dieser Übernahme, und wie passt sie zu Ihrem Effizienz- und Fokusprogramm?
Trier: Die Akquisition passt perfekt in unser Programm. Delta Logic verfügt über eine außerordentliche Kompetenz in der Kommunikation mit Industriesteuerungen von Siemens, die im europäischen Markt dominieren. Dies ergänzt die Produkte von Softing. Noch in diesem Jahr erwarten wir neue Produkte, die Softing sowohl bei der Anbindung an Siemens-Steuerungen als auch beim Kommunikationsstandard OPC UA noch besser im Markt positionieren. Und wir freuen uns darauf, den Delta Logic Produkten mit dem internationalen Vertrieb von Softing einen zusätzlichen Wachstumsschub verleihen zu können.
4investors.de: Die liquiden Mittel lagen zum Quartalsende bei 7,3 Millionen Euro nach 9,3 Millionen Euro zum Jahresende. Ein Teil davon wurde für die Akquisition genutzt. Wie bewerten Sie Ihre aktuelle Finanzlage und Investitionsfähigkeit – auch mit Blick auf weitere mögliche Zukäufe?
Trier: Der Verkauf eigener Aktien und eine Barkapitalerhöhung haben unseren finanziellen Spielraum im Jahr 2024 deutlich erweitert und einen neuen Ankeraktionär geschaffen. Der temporäre Rückgang im ersten Quartal 2025 ist in erster Linie auf verzögerte Zahlungen von Großkunden zurückzuführen, die erst im Mai verbucht werden konnten. Dieses Finanzpolster lässt uns ruhig schlafen und eröffnet uns zugleich Spielraum für weitere Akquisitionsschritte.
4investors.de: Abschließend, Herr Dr. Trier, was macht Sie trotz der aktuellen Herausforderungen zuversichtlich für die Zukunft von Softing?
Trier: Unsere Stärke liegt in der Flexibilität und Innovationskraft unserer Teams. Wir haben die vergangenen Jahre genutzt, um unsere technologischen Kompetenzen weiterzuentwickeln und neue Märkte zu erschließen. Besonders die Einführung neuer Produkte im Bereich IT Networks und die Digitalisierung von Industrien schaffen Wachstumspotenziale. Wir sind überzeugt, dass Softing durch die Kombination aus Produktinnovation und strategischer Marktausrichtung auch langfristig erfolgreich sein wird.