Lithium vor Wendepunkt: Wie Mega-Energiespeicher ab 2026 die Nachfrage treiben
Der Lithium-Markt steht nach Jahren des Überangebots vor einem möglichen Wendepunkt. Während die Elektromobilität weiterhin den größten Teil der Nachfrage nach dem Batteriemetall stellt, rückt eine zweite Säule immer stärker in den Vordergrund: großflächig eingesetzte Energiespeicher. Branchenbeobachter sehen in diesen Systemen einen potenziell entscheidenden Faktor, der das globale Angebot-Nachfrage-Gefüge bei Lithium bereits ab 2026 spürbar verschieben könnte.
Mehrere große Investmentbanken – darunter Citigroup, UBS und Bernstein – gehen davon aus, dass die Nachfrage aus dem Bereich stationärer Energiespeicherung so dynamisch zulegt, dass der Markt von einem Überangebot wieder in ein Defizit kippen könnte. Andere Analysten mahnen dagegen, die Erwartungen seien teilweise zu hoch angesetzt.
Lithium zwischen Preissturz und möglicher Trendwende
In den vergangenen drei Jahren war der globale Lithiummarkt von einem deutlichen Überangebot geprägt. Neue Minen in verschiedenen Regionen kamen schneller ans Netz, als die Nachfrage – vor allem aus dem E-Mobilitätssektor – wachsen konnte. Die Folge war ein massiver Preisrückgang: Nach dem Hoch Ende 2022 sind die Spotpreise zeitweise auf ein Vierjahrestief gefallen und notieren trotz einer Erholung um rund 50 % seit Juni immer noch deutlich unter den Höchstständen.
Die Elektromobilität wächst zwar weiter, aber langsamer als lange prognostiziert. In China, dem größten E-Auto-Markt der Welt, zeigt sich eine gewisse Reifephase, die Wachstumsraten flachen ab. In den USA sorgt die Politik von Präsident Donald Trump für zusätzliche Unsicherheit: Die Regierung arbeitet an gelockerten Effizienzstandards und baut Förderanreize für E-Fahrzeuge zurück. Westliche Autobauer überprüfen vor diesem Hintergrund ihre Strategien und Zeitpläne für den Hochlauf von E-Modellen.
Vor diesem Hintergrund rückt die Frage in den Mittelpunkt, welche Segmente die Lücke schließen können, die eine moderatere E-Auto-Nachfrage für Lithium hinterlässt. Immer mehr Analysten verweisen hier auf stationäre Energiespeicher.
Energiespeicher: Neue Säule für Lithiumnachfrage
Batteriespeicher im großen Umfang – häufig in der Nähe von Solar- und Windparks installiert – nehmen überschüssigen Strom aus dem Netz auf und geben ihn zeitversetzt wieder ab. Diese Systeme sind technisch eng verwandt mit E-Auto-Batterien und greifen auf ähnliche Zellchemien und damit auf Lithium zurück. Laut Chris Williams, Analyst beim Beratungshaus Adamas Intelligence, ist das Wachstum im Bereich Energy Storage inzwischen „der größte Swing-Faktor“ für die Zellproduktion und damit für die Nachfrage nach Lithium im Jahr 2026.
Günstiger gewordene Systemkosten und politische Vorgaben zur Integration erneuerbarer Energien treiben den Ausbau voran. Hinzu kommt ein neuer struktureller Treiber: der massive Aufbau von Rechenzentren und Daten-Infrastruktur, etwa für künstliche Intelligenz. Diese Anlagen benötigen eine stabile und planbare Stromversorgung – ein Umfeld, in dem Batteriespeicher zur Glättung von Lastspitzen eine immer wichtigere Rolle übernehmen.
China hat sich das Ziel gesetzt, bis 2027 eine kumulierte Speicherkapazität von 180 Gigawatt zu erreichen und scheint auf einem guten Weg, dieses Ziel sogar zu übertreffen. In den USA bewerten Analysten von UBS stationäre Speichersysteme als „attraktive Lösung“, um zunehmende Ungleichgewichte zwischen Stromangebot und -nachfrage auszugleichen. Nach Berechnungen der Bank könnte die Lithiumnachfrage aus dem Speichersegment im kommenden Jahr um 55 % zulegen, während der Zuwachs aus dem E-Mobilitätssektor bei rund 19 % liegen dürfte.
Aus Sicht optimistischer Marktbeobachter könnte Lithium damit bereits ab 2026 wieder in ein strukturelles Defizit laufen, zumal gleichzeitig einige Produzenten ihre Förderung zurückgefahren haben.
Skepsis bleibt: Wachstum ja – aber wie stabil?
Trotz dieser dynamischen Perspektive für Energiespeicher bleibt nicht jede Stimme in der Branche uneingeschränkt zuversichtlich. Martin Jackson, Leiter des Bereichs Batterierohstoffe beim Analysehaus CRU Group, erwartet weiterhin, dass das Angebot im kommenden Jahr schneller wächst als die Nachfrage. Aus seiner Sicht ist ein Teil der aktuellen Euphorie „gefährlich aufgebläht“.
Ein zentraler Kritikpunkt: Die Zahl der produzierten Batteriezellen für Speichersysteme wachse deutlich schneller als die tatsächlich installierte Kapazität. Zwischen der Fertigung von Zellen und dem Aufbau fertig installierter Speichersysteme bestehe eine erhebliche Diskrepanz. Das könnte bedeuten, dass ein Teil der derzeit für Energiespeicher produzierten Lithium-Batterien zunächst in Lagerbeständen zwischengeparkt wird, bevor er sich im realen Verbrauch niederschlägt.
EcoGrafAuch aus China kommen Signale, dass der Staat stärker regulierend eingreifen will. Peking kündigte vor Kurzem an, Maßnahmen zu beschleunigen, die „übermäßigen Wettbewerb“ in der Batterieindustrie eindämmen sollen. Iola Hughes, Leiterin Research bei Benchmark Mineral Intelligence, verweist darauf, dass trotz steigender Installationen von Speichersystemen eine Kombination aus staatlicher Aufsicht und Überproduktion von Zellen dazu führen könnte, dass das Nachfragewachstum bei Lithium 2026 und 2027 „holpriger und wahrscheinlich schwächer ausfällt, als Schlagzeilen suggerieren“.
Angebotserweiterungen und Produzentenstimmen
Auf der Angebotsseite bleiben weitere Kapazitätszuwächse ein Thema. Neue Projekte werden in China, Australien, Argentinien und mehreren afrikanischen Ländern vorangetrieben. Gleichzeitig besteht Unsicherheit über die künftige Produktion einer wichtigen Mine in der chinesischen Provinz Jiangxi, die von Contemporary Amperex Technology (CATL), dem weltweit größten Hersteller von E-Auto-Batterien, betrieben wird.
Dennoch geben sich einige chinesische Produzenten selbstbewusst. Jiang Anqi, Vorsitzende von Tianqi Lithium, erwartet für 2026 einen weitgehend ausgeglichenen Lithium-Markt und verweist explizit auf Energiespeicher als eine Säule dieser Einschätzung. Auch Ganfeng Lithium berichtet, die Dynamik im Storage-Bereich habe die eigenen Erwartungen übertroffen.
Die Analysten von Bernstein sehen 2025 als potenziellen Tiefpunkt des aktuellen Zyklus. Angebotskürzungen in Kombination mit einer robusten Nachfrage – getragen von E-Mobilität und Energiespeichern – hätten den Markt bereits in Richtung einer ausgeglicheneren Situation verschoben. Für die Jahre 2026 und 2027 rechnen sie mit einer weiteren Straffung des Marktes.
Fazit: Lithium zwischen Neuerzählung und Realitätstest
Die Diskussion um Lithium und Energiespeicher als „zweite Nachfrage-Säule“ zeigt, wie stark sich der Markt im Übergang befindet. Nach einer Phase des massiven Überangebots kommen nun zunehmend Szenarien ins Spiel, in denen stationäre Batteriespeicher neben Elektrofahrzeugen zu einem gleichberechtigten Treiber werden könnten.
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