Rocket Internet, Zalando und Co: Das Geschrei nach IPO-Konsequenzen ist gefährlich
Der Aufschrei ist groß. Seit dem Börsengang in der Vorwoche haben Rocket Internet und Zalando rund 20 Prozent an Wert verloren. Umgerechnet wurden 300 Millionen Euro verbrannt. Einige Experten und Beobachter fordern nun medienwirksam, dass künftig nur noch profitable Unternehmen an die Börse dürfen. Erst schwarze Zahlen schreiben – dann Erstnotiz.
Manch einer hat da vielleicht den Sinn der Börse nicht ganz verstanden. Dieses Vehikel ist auch dazu da, um frisches Kapital ins Unternehmen zu bekommen. Die Börse war schon immer ein Platz, um Investitionen – auch stark risikobehaftete – zu finanzieren. Pharmagesellschaften, Unternehmen, die sich auf die Forschung konzentrieren, innovative Gesellschaften haben oft überhaupt keine andere Chance, um an dringend benötigtes Geld zu kommen. Ohne eine solche Geldbeschaffungsquelle würde die Innovationskraft leiden, würden Chancen vergeben werden. Zudem würde ein solches Verbot Anleger keinesfalls vor Kursschwankungen nach der Handelsaufnahme schützen.
Natürlich gibt es auch manchen Schrott an der Börse – wie überall im Leben. Doch der Anleger muss genau schauen, wem er sein Geld zur Verfügung stellt. Er ist mündig genug, sich zu informieren. Es gibt die Wertpapierprospekte, Geschäftsberichte, es gibt die einschlägigen Medien, es gibt die Webseiten der Unternehmen, es gibt die Börsenforen. Natürlich kostet es Arbeit, das Für und Wider im Dschungel der Informationen abzuwägen, aber wenn man Gewinne erwartet, muss man zuvor Informationen sammeln. Blindes Vertrauen zahlt sich selten aus. Nur mit Wissen kann man die Spreu vom Weizen trennen.
Und: Es gibt risikofreudigere Investoren und risikoscheue Anleger. Nicht umsonst warnen Analysten häufig davor, dass gewisse Papiere nichts für schwache Nerven sind. Die Erkenntnis, dass Risiko und Rendite Hand in Hand gehen und Unternehmensinvestments langfristig sind, müssen viele Anleger lernen. Wer hohe Gewinne will, muss hohe Risiken sowie starke Kursschwankungen in Kauf nehmen und bisweilen reichlich Geduld an den Tag legen. Wer eines oder beides nicht will oder kann, für den sind die Börse und erst recht spekulative Werte wie Rocket Internet oder Zalando das falsche Parkett.
Wer aber einen Hochtechnologiestandort möchte, kommt kaum daran vorbei, den Unternehmen einen umfassenden Zugang zum Kapital zu ermöglichen. Diesen Zugang gesetzlich zu beschneiden, wäre ein immenser Wettbewerbsnachteil für den Standort Deutschland. Wer schärfere Regularien und Anlegerschutz fordert, kann auch andere Maßnahmen treffen als den Verbotsweg zu gehen: Man kann von Seiten des Gesetzgebers zum Beispiel die Bildung der Anleger und die Ausbildung der nicht selten fachlich völlig überforderten und provisionsgetriebenen Anlageberater fördern, zudem eine stärkere Transparenz der Unternehmen und des Handels an der Börse gewährleisten. Solche Wege zu mehr Anlegerschutz sind sicherlich mühsamer und weniger schlagzeilenträchtig als zu fordern, dass nur Unternehmen mit schwarzen Zahlen an den Markt dürfen – aber allemal nachhaltiger, für den Anleger wie auch den Standort.
Wer sagt zudem, dass Rocket Internet oder Zalando nicht doch noch zu Überfliegern werden? Das Beispiel Facebook zeigt exemplarisch, wie aus einem Börsenflop in wenigen Monaten ein hübscher Schwan werden kann.