Nord LB – EZB: Notenbank überrascht mit Zinssenkung und erkauft sich Zeit
Überraschend hat die EZB die Leitzinsen für die Eurozone gesenkt. Alle drei Zinssätze wurden um jeweils zehn Basispunkte verringert. Auf Nachfrage erklärte Draghi, dass man mit dem nun erfolgten Schritt an der untersten Grenze für die Leitzinsen angekommen ist. Die heutige Entscheidung ist nicht einstimmig gefallen. Man darf also davon ausgehen, dass es heftige Diskussionen über den Zinsschritt gab.
Auch wir sind angesichts des jetzt ergriffenen Schrittes etwas irritiert. Es drängt sich der Eindruck auf, dass die EZB mit der Maßnahme vor allem Zeit kaufen will, insbesondere vor dem Hintergrund der weiteren geldpolitischen Beschlüsse des heutigen Tages. So haben sich die Ratsmitglieder auf die Ankäufe von ABS-Verbriefungen geeinigt. Darüber hinaus hat die Notenbank ein erneutes Ankaufprogramm für Covered Bonds auf den Weg gebracht. Beide Programme werden aber erst im kommenden Monat starten und danach auch erst verzögert wirken können. Details zu den Modalitäten – und hier vor allem zu den geplanten Ankaufvolumina – wird die Frankfurter Notenbank frühestens Anfang Oktober bekannt geben. Zur kurzfristigen „Beruhigung“ der Märkte hat man dann entsprechend „zum Zins gegriffen“.
Nach den heutigen Maßnahmen richtet sich der Blick nach vorn. Mitte des Monats begibt die EZB ihr erstes TLTRO und es ist derzeit nicht klar, in welcher Größenordnung sich die Banken an diesem Geschäft beteiligen. Keine Schätzung traut sich die Notenbank zudem beim ABS-Ankaufvolumen zu. Aus unserer Sicht besteht die Gefahr, dass dieses – nun bereits seit einigen Monaten im Raum stehende Element – zum zahnlosen Tiger wird. Wir können uns
nicht vorstellen, dass der in den vergangenen Jahren viel gescholtene Verbriefungsmarkt bereits wieder groß genug ist, um die mit den Ankäufen verbundenen Ziele auch tatsächlich zu erfüllen.
Sollten die Inflationsraten trotz der umfangreichen Maßnahmen und der nun noch expansiveren geldpolitischen Ausrichtung der EZB weiterhin nachhaltig niedrig bleiben, könnten die Notenbanker auch ein umfangreiches „Quantitative Easing“ auf den Weg bringen. Bereits heute habe man intensiv über QE diskutiert und einige Notenbankpräsidenten haben offenbar vehement danach verlangt. Der nun gefundene Mittelweg ist wohl der kleinste gemeinsame Nenner, auf den man sich im Rat verständigen konnte.
Auf Nachfrage ging Draghi auch auf seine Ausführungen in Jackson Hole ein. Er betonte, dass die Inflationserwartungen zwar nachgegeben haben, aber immer noch fest verankert seien. Zu seiner Forderung, dass die Fiskalpolitik Wachstumsimpulse setzen soll, sagte er heute, dass dies im Einklang mit Haushaltskonsolidierungen erfolgen muss.
Fazit: Die EZB hat überraschend die Leitzinsen für die Eurozone gesenkt. Darüber hinaus hat der Rat ein Ankaufprogramm für Covered Bonds sowie für ABS-Verbriefungen beschlossen. Beide Maßnahmen sollen im Oktober an den Start gehen – bis dahin müssen wir auch auf die Modalitäten warten. Mit dem heutigen – nicht einstimmigen – Zinsschritt hat die Notenbank in erster Linie Zeit gekauft. Sie selbst hat offenbar keine Idee, in welcher Größenordnung die Banken Gebrauch von den beschlossenen Maßnahmen machen und ob die damit verfolgten Ziele erreicht werden. Als letzter großer Schritt bliebe dann nur noch „echtes“ QE, für das sich im Rat heute schon einige Notenbankpräsidenten ausgesprochen haben.