Börse am Morgen, u.a. Boeing, Nokia, LVMH und Rezessions-Gefahren - Nord LB
Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich im Januar überraschend deutlich eingetrübt. Der Ifo-Geschäftsklimaindex sank auf 85,2 Punkte und damit den niedrigsten Stand seit Mitte 2020. Sowohl die aktuelle Lage als auch die Geschäftserwartungen werden deutlich negativer beurteilt. Die Liste der Belastungsfaktoren ist in den vergangenen Wochen länger geworden. Die Angriffe der Huthis auf Handelsschiffe im Roten Meer, die ungewollt restriktive Ausrichtung der Fiskalpolitik nach dem Bundesverfassungsgerichtsentscheid und der Bahnstreik erweisen sich als regelrechte Stimmungskiller für die deutschen Unternehmen. Das Risiko für eine technische Rezession in Deutschland hat spürbar zugenommen.
Die gestern in den USA veröffentlichten BIP-Zahlen für das 4. Quartal 2023 zeigen noch keine Zeichen für eine nachhaltige Abschwächung der Wirtschaft der Vereinigten Staaten – sogar ganz im Gegenteil! Gemeldet wurde ein reales Wachstum von beachtlichen 3,3% (y/y). Diese Nachricht stellt eine sehr erfreuliche Überraschung dar. Auch zum Ende des Jahres 2023 ergeben sich beim Blick auf die Entwicklung der ökonomischen Aktivität im Land der offenbar wirklich unbegrenzten Möglichkeiten in der Tat keinerlei Hinweise für spürbare Belastungen. Allerdings stellt sich somit die Frage, ob die Fed in diesem Umfeld die Leitzinsen bald senken können wird. Wir glauben jedenfalls nicht an dieses Szenario. Erst mit eindeutig schwächeren Wirtschaftsdaten im Laufe der kommenden Monate sollte das FOMC dann also zur Jahresmitte hin das Leitzinsniveau in den USA verringern müssen.
Die Europäische Zentralbank beließ ihre Leitzinsen in der gestrigen geldpolitischen Sitzung wie erwartet unverändert. Auch die Formulierung, dass die Leitzinsen so lange wie nötig auf einem ausreichend restriktiven Niveau bleiben müssen, blieb bestehen.
Angesichts der Konjunkturflaute musste der deutsche Online-Handel im Jahr 2023 erstmals ein zweistelliges Umsatzminus verkraften. Die Umsätze sanken um 11,8% auf EUR 79,7 Mrd. Im 4. Quartal schwächte sich das Minus aber auf 7,1% ab.
Tagesausblick
Nach einigen echten Highlights in der jüngeren Vergangenheit stehen heute keine extrem wichtigen Konjunkturdaten zur Veröffentlichung an. Die Anleger werden aber vielleicht doch mit einem Auge auf die Meldungen aus den USA blicken. Publiziert werden hier Dezember-Zahlen zum PCE-Preisindex sowie zu den persönlichen Einnahmen und Ausgaben.
Aktienmärkte
Nach dem deutlichen Vortagesplus und dem Dämpfer durch den Ifo-Index kam es am deutschen Aktienmarkt gestern zunächst zu moderaten Gewinnmitnahmen. Die Zinsentscheidung der Europäischen Zentralbank ließ die Anleger kalt. Schwache Zahlen und ein verhaltener Ausblick von Tesla belasteten die europäischen Automobilwerte. Zum Handelsende schaffte es zumindest der DAX dann doch noch knapp über den Vortagesschluss. DAX +0,10%; MDAX -0,25%; TecDAX -0,11%.
Die Wall Street zeigte sich nach starken US-Wirtschaftsdaten freundlich. Dow Jones +0,64%; S&P 500 +0,53%; Nasdaq Comp. +0,18%.
Unternehmen
Der finnische Telekommunikationsausrüster Nokia vermeldete für Q4 2023 einen Umsatzrückgang um 23% auf EUR 5,71 Mrd. sowie einen Gewinneinbruch (EBIT) um 27% auf EUR 846 Mio. Im ersten Halbjahr erwartet CEO Lundmark eine Fortsetzung des schwierigen Marktumfelds. Die Ergebnisse lagen trotzdem über den Markterwartungen, die Aktie stieg.
Die amerikanische Flugaufsichtsbehörde hat nach dem Sicherheitsvorfall Anfang Januar bei Alaska Airlines zwar das Flugverbot für das Modell Boeing 737-MAX 9 nach entsprechenden Inspektionen aufgehoben. Allerdings verbietet die Behörde ohne Angabe eines Zeitraums die geplante Produktionsausweitung der gefragten Modellreihe. Die MAX-Produktion sollte von 38 Maschinen im Monat bis Februar auf 42 und bis Herbst 2025 schrittweise auf 57 Stück hochgefahren werden.
Trotz der eingetrübten Konjunktur steigt die Nachfrage nach Luxusgütern. LVMH profitierte davon in Q4 2023 mit einem währungsbereinigten Umsatzwachstum von 10% auf EUR 24 Mrd.
Devisen und Rostoffe
Die Währungsrelation EUR/USD trat gestern lange Zeit mehr oder weniger auf der Stelle. Dann aber gaben die US-BIP-Zahlen bzw. die hieraus resultierenden begrenzten Zinssenkungsphantasien dem USD Auftrieb. Der EUR verlor 0,4% auf USD 1,0842.
Die Ölpreise bewegten sich mit Blick auf die Unwägbarkeiten im Roten Meer weiter nach oben.
Disclaimer: Dieser Text ist eine Kolumne der Nord LB. Der Inhalt der Kolumne wird von 4investors nicht verantwortet und muss daher nicht zwingend mit der Meinung der 4investors-Redaktion übereinstimmen. Jegliche Haftung und Ansprüche werden daher von 4investors ausdrücklich ausgeschlossen!