TinInn: „Unser Ansatz ist nahezu vollständig digitalisiert“
Nico Sauerland ist CO-CEO und Vorstandsvorsitzender der TIN INN Holding AG, einem Hotelbetreiber mit Fokus auf Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Automatisierung. TIN INN ist im Mai 2025 an die Börse gegangen. Das Unternehmen aus dem Kreis Heinsberg entwickelt, produziert, besitzt und betreibt Hotels, die aus Überseecontainern gebaut werden.
Herr Sauerland, können Sie das Hotelkonzept von TIN INN und seine Besonderheiten für uns zusammenfassen?
Sauerland: Wir entwickeln, produzieren, managen und betreiben Hotels aus recycelten Seefrachtcontainern. Unser Fokus liegt auf Mittelstädten mit 20.000 bis 200.000 Einwohnern – Märkte, die von klassischen Hotelketten häufig nicht bedient werden. Durch die modulare und serielle Bauweise können wir unsere Hotels innerhalb von nur vier Monaten realisieren. So lassen sich neue Standorte besonders schnell und effizient eröffnen. Eine Besonderheit unseres Konzepts ist die vollständige Digitalisierung: Vom Check-in bis zum Check-out läuft alles digital ab. Sollte es dennoch Fragen geben, steht unseren Gästen eine Hotline zur Verfügung. Nur die Reinigung erfolgt selbstverständlich weiterhin durch unser Personal vor Ort. Auf diese Weise verbinden wir Effizienz mit Komfort und schaffen ein modernes, voll-digitales und zugleich nachhaltiges Hotelkonzept.
In der Immobilienbranche gibt es bisher wenige Beispiele, bei denen modulare Bauweise ihren Einsatz findet. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
Sauerland: Ursprünglich haben wir als Modulbauer für andere Unternehmen gearbeitet. Dabei haben wir schnell gemerkt, dass die Aufträge zu individuell sind, um die Container in Serie zu produzieren. Also haben wir uns überlegt: In welcher Branche lässt sich serielles Bauen wirklich effizient umsetzen? So sind wir auf Hotels gekommen. Hier ist der Standardisierungsgrad besonders hoch. Durch serielle Fertigung können wir Hotels in nur vier Monaten errichten und dabei höchste Qualitätsstandards zu kalkulierbaren Kosten gewährleisten.
Wie nehmen Sie die aktuellen Marktentwicklungen wahr –gerade im Hinblick auf Unterschiede zwischen Metropolen und Mittelstädten?
Sauerland: Seit dem Jahr 2000 ist die Zahl der Gasthöfe, Pensionen und Hotels in Mittelstädten bei stabiler Nachfrage stark gesunken. In Metropolen bleiben große Hotels stabil, doch in kleineren Städten entsteht eine wachsende Angebotslücke. Traditionelle Ketten wie Motel One oder Ibis benötigen ein deutlich höheres Zimmerkontingent, um einen Standort profitabel zu betreiben – das ist in vielen Mittelstädten nicht machbar. Wir dagegen können bereits mit 20 Zimmern profitabel arbeiten. So erschließen wir einen Markt, der für klassische Hotelketten verschlossen bleibt. Unsere Gäste sind vor allem beruflich Reisende, Kurzurlauber, Handwerker und Monteure, aber auch Menschen, die beispielsweise für einen Familienbesuch oder den Stammtisch ihres Sportvereins in die Stadt zurückkehren.
Wie schätzen Sie die Wettbewerbssituation in diesen Mittelstädten ein – und welche Rolle spielt TIN INN?
Sauerland: Wir sind die Einzigen, die mit diesem modularen Ansatz arbeiten. Durch die serielle Bauweise und unsere Digitalisierung sind wir ab dem zweiten Monat profitabel. Die großen Ketten konzentrieren sich auf die Metropolen. Mit ihnen möchten wir auch gar nicht um Flächen in den Innenstädten konkurrieren. Das Potenzial ist gewaltig. Die Notierung an der Frankfurter Börse bietet uns die idealen Voraussetzungen, um unser profitables Wachstum voranzutreiben und neue Investoren zu gewinnen, die an unserem Erfolg teilhaben möchten. Wir verfügen über ideale Voraussetzungen, um vom Strukturwandel im Hotelmarkt zu profitieren.
Üblicherweise wird zwischen Hotels, Hotels Garni, Pensionen und Gasthöfen unterschieden. Wo ordnen Sie TIN INN ein?
Sauerland: Ich denke, dass wir in keine der bestehenden Kategorien wirklich einzuordnen sind. TIN INN bildet vielmehr eine eigene Kategorie. Unser Ansatz ist nahezu vollständig digitalisiert sowie nachhaltig und unterscheidet sich damit deutlich von traditionellen Hotelkonzepten. Gleichzeitig legen wir großen Wert darauf, unseren Gästen trotz der standardisierten Bauweise ein hochwertiges Erlebnis auf 3-Sterne-plus-Niveau zu bieten. Diese Kombination aus digitalem Komfort, moderner Nachhaltigkeit und verlässlicher Qualität macht uns einzigartig im Markt.
Viele Reisende erwarten von Hotels umfangreiche Services, etwa Frühstück. Sie setzen bewusst auf ein reduziertes Angebot. Wie gelingt es Ihnen trotzdem, die Erwartungen zu erfüllen?
Sauerland: Wir haben von Anfang an aus der Sicht der Gäste gedacht, weil wir selbst ja gar nicht aus der Hotellerie kommen. Und natürlich lesen wir auch unsere Bewertungen, aus denen wir schon das ein oder andere angepasst haben. Grundsätzlich sind die Rückmeldungen aber sehr positiv, was uns in unserem Ansatz bestärkt. Ich denke daher, alles, was man wirklich braucht, bieten wir. Was das Frühstück angeht, da ist der Bäcker um die Ecke meist ohnehin die bessere Wahl. Deshalb suchen wir unsere Standorte gezielt so aus, sodass Gäste in direkter Nähe Supermärkte oder Bäckereien finden. Wo das nicht möglich ist, kommt der Standort für uns nicht infrage. Und keine Sorge: Verhungern muss bei uns niemand. Es gibt eine kostenlose Minibar und im Eingangsbereich einen Kühlschrank, aus dem sich Gäste jederzeit mit Snacks und Getränken versorgen können.
TIN INN hat ambitionierte Expandierungspläne. Wie möchten Sie diese Ziel erreichen und wollen Sie auch außerhalb Deutschlands wachsen?
Sauerland: Bis Ende 2025 wollen wir die Zahl unserer operativen Standorte von derzeit sieben auf zehn ausbauen. Der nächste Meilenstein ist bereits gesteckt: Bis 2028 planen wir, insgesamt 50 Hotels zu eröffnen. Das wollen wir perspektivisch auf 250 Hotels erhöhen. Deutschland bleibt dabei unser Kernmarkt, denn hier sehen wir auch langfristig großes Potenzial. Ein entscheidender Hebel für dieses Wachstum ist unsere serielle Bauweise. Sie ermöglicht es uns, ein Hotel in nur vier Monaten fertigzustellen – so können wir neue Standorte nicht nur schnell, sondern auch besonders effizient an den Start bringen. Wenn wir über die Landesgrenzen hinausschauen, sehen wir, dass auch in anderen Ländern ähnliche Bedingungen gegeben sind. Klassische Hotelketten meiden Mittelstädte, weil sie dort nicht profitabel arbeiten können. Genau hier setzen wir an – und warum sollten wir dieses Potenzial nicht auch international nutzen?
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Sauerland!
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