artec technologies: „Ein spezialisiertes Drohnendetektionssystem ist der nächste logische Schritt“
Drohnen halten nicht nur die Politik, Flughäfen und kritische Infrastruktur in Deutschland in Atem, sondern auch die Börse. Europa erscheint hilflos und schießt mit Kanonen auf Spatzen. Wie kann man das ändern und wo liegen die technischen Herausforderungen? Darüber spricht die Redaktion von 4investors.de mit Thomas Hoffmann, Vorstand der artec technologies AG. Hoffmann sieht im Audio-Radar in Verbindung mit optischer Aufklärung und Sensoren eine kostengünstige Alternative zum klassischen Radar, die bei der Erkennung kleiner Drohnen sogar überlegen ist. Mit dem Thema hat sich artec schon vor Jahren beschäftigt. In dem ausführlichen Gespräch geht der Manager aus Diepholz auch auf die Konkurrenz von Rheinmetall, Renk und Co. ein und hat bei Ausschreibungen einen großen Wunsch.
4investors.de: In Deutschland aber auch in anderen europäischen Ländern haben zuletzt Drohnen den Verkehr an Flughäfen gestört. Kann man dies überhaupt verhindern?
Hoffmann: Hundertprozentige Sicherheit wird es nie geben – aber man kann das Risiko sehr deutlich reduzieren. Ziel sollte es jedenfalls sein, dass man nicht Eurofighter aufsteigen lassen muss. Das ist, wie mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Abgesehen davon, dass es viel zu lange dauert. Prävention heißt aus unserer Sicht vor allem: kontinuierliche Überwachung, vernetzte Systeme und klare Prozesse. Entscheidend ist ein systematisches Zusammenspiel aus Sensorik, intelligenter Videoanalyse, Funk- und Telemetriedaten. So lassen sich verdächtige Objekte früher erkennen, Bewegungsmuster analysieren, Entscheidungen treffen und Einsatzkräfte gezielt steuern.
4investors.de: Was ist letztlich schwieriger, die Entdeckung oder die Abwehr von Drohnen?
Hoffmann: Beides ist anspruchsvoll, aber der wirklich kritische Teil ist die zuverlässige Entdeckung und Bewertung. Wenn Sie nicht sicher wissen, ob da wirklich eine Drohne unterwegs ist, wo sie herkommt und welches Risiko von ihr ausgeht, können Sie auch keine verantwortbare Entscheidung zur Abwehr treffen. Hinzu kommt, dass Kleinst- und Hobbydrohnen sehr schwer von Vögeln oder anderen Objekten zu unterscheiden sind. Unsere Stärke als artec liegt genau in dieser Phase: Daten aus verschiedenen Quellen in Echtzeit zusammenführen, ein verständliches Lagebild bereitstellen und Entscheider alarmieren. Die eigentliche Abwehr ist dann meist Aufgabe spezialisierter Systeme und Behörden.
4investors.de: Sie waren schon vor vielen Jahren zusammen mit einer Universität in dem Bereich aktiv. Um was ging es damals genau?
Hoffmann: Damals ging es unter anderem um die Frage, wie man sehr kleine, langsam fliegende Objekte im zivilen Luftraum zuverlässig detektieren und klassifizieren kann. Gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen der Universität haben wir untersucht, wie sich optische Sensoren und akustische Signale intelligent zusammenführen lassen. artec war dabei insbesondere für die Verarbeitung, Synchronisation und Analyse der Datenströme zuständig – also für das, was wir bis heute sehr gut können. Ein Schwerpunkt war, aus vielen unsicheren Einzelsignalen ein robustes Lagebild zu erzeugen und Falschalarmen vorzubeugen. Aus dieser Zeit stammen viele Erfahrungen, die wir heute in moderne Lösungen einfließen lassen.
4investors.de: Radar ist bei der Entdeckung solcher Drohnen nicht unbedingt die beste Methode, oder?
Hoffmann: Klassischer Radar ist ein Baustein, aber eben nur ein Baustein und teuer. Kleine, aus Kunststoff gefertigte Drohnen haben eine sehr geringe Radarrückstrahlfläche und lassen sich im zivilen Umfeld schwer von anderen Objekten unterscheiden. Deshalb setzt man heute zunehmend auf Multi-Sensor-Systeme: Radar, Funk- und Telemetriedetektion, optische und infrarote Kameras, ergänzt durch KI-basierte Mustererkennung. Aus unserer Sicht ist eine Mischung aus Audio-Radar, Kameras und Sensoren eine praktikable und auch kostengünstige Lösung. Dann kommt ein Unternehmen wie artec ins Spiel: Wir können die unterschiedlichen Datenquellen integrieren, synchronisieren und mit intelligenter Software auswerten. Am Ende geht es nicht um das „eine“ perfekte Sensorprinzip, sondern um das Zusammenspiel.
4investors.de: Wenn ihnen jetzt jemand einen Auftrag geben würde, ein System zur Drohnenentdeckung zu entwickeln: Wie lange würde dies dauern? Und wie viel würde dies kosten?
Hoffmann: Das hängt stark vom Umfang und vom Einsatzszenario ab. Wenn wir bestehende artec-Technologien – etwa unsere Plattformen für Videoüberwachung, Sensorfusion und Analyse – adaptieren und in ein Drohnenerkennungssystem integrieren sollen, reden wir eher über 12 Monate Entwicklungs- und Integrationszeit. Ein komplettes Neudesign „auf der grünen Wiese“ würde deutlich länger dauern. Beim Budget bewegen wir uns je nach Größe des Projekts im Bereich von einem niedrigen einstelligen bis hin zu einem mittleren einstelligen Millionenbetrag. Wichtig ist: Man sollte so ein System modular denken, damit es schrittweise ausgebaut und an unterschiedliche Standorte angepasst werden kann.
4investors.de: Hätten sie für eine solche Arbeit überhaupt die notwendigen Kapazitäten? Haben sie das nötige Fachpersonal für solche Entwicklungen und Aufgaben?
Hoffmann: Wir verfügen über ein erfahrenes Team aus Softwareentwicklern, Systemarchitekten und Spezialisten für Video- und Datenanalyse. Viele der benötigten Bausteine – skalierbare Plattformen, Echtzeit-Analyse, Schnittstellen zu unterschiedlichsten Sensoren – setzen wir bereits in anderen sicherheitskritischen Projekten ein. Gleichzeitig wären wir bei sehr großen Vorhaben realistisch genug, um mit Partnern zusammenzuarbeiten, etwa Spezialisten für Radar- oder Funktechnik. Das ist übrigens ein Vorteil mittelständischer Unternehmen: Wir sind flexibel, können schnell entscheiden und interdisziplinäre Teams aus eigenen und externen Experten zusammenstellen.
4investors.de: Ein solches System würde in diesen Zeiten vermutlich auf eine hohe Nachfrage stoßen. Warum sind Sie da noch nicht aktiv geworden?
Hoffmann: Wir sind bereits in benachbarten Bereichen aktiv – etwa bei der Überwachung kritischer Infrastrukturen und Großereignissen, bei der Auswertung von Video- und Audiodaten in Echtzeit sowie beim Aufbau komplexer Lagezentren. Ein spezialisiertes Drohnendetektionssystem ist der nächste logische Schritt, den wir aber nur dann gehen wollen, wenn die Rahmenbedingungen passen: klare Anforderungen, verlässliche Finanzierung und eine langfristige Perspektive. Wir halten nichts davon, kurzfristig einem Hype hinterherzulaufen. Unser Anspruch ist, Lösungen zu entwickeln, die über Jahre betrieben, gewartet und weiterentwickelt werden können.
4investors.de: Viele Forschungsaufträge im Bereich Verteidigung gehen an Rheinmetall, Hensoldt, Renk und Co. Werden kleine Unternehmen dabei zu selten berücksichtigt?
Hoffmann: Die großen Player haben natürlich ihre Berechtigung – sie sind in vielen Bereichen Systemführer und können sehr große Projekte aus einer Hand liefern. Gleichzeitig erleben wir, dass spezialisierte mittelständische Unternehmen wie artec oft zu spät oder gar nicht eingebunden werden, obwohl sie in bestimmten Nischen sehr innovativ sind. Forschung und Entwicklung profitieren von Vielfalt: Große Häuser, die das System-of-Systems im Blick haben, und agile Unternehmen, die neue Technologien schnell zur Reife bringen. Hier wünschen wir uns offenere Ausschreibungen, bei denen Konsortien aus Großen und Kleinen ausdrücklich gewollt sind.
4investors.de: Fühlen Sie sich also manchmal unterschätzt?
Hoffmann: Unterschätzt ist vielleicht das falsche Wort – aber ich glaube, das Potenzial des deutschen Mittelstands im Hightech-Bereich wird noch nicht voll genutzt. Wir haben in Deutschland eine Vielzahl hochspezialisierter Firmen, die weltweit gefragt sind, aber im eigenen Land nicht immer die gleiche Sichtbarkeit haben wie die großen Konzerne. Unser Anspruch ist nicht, uns zu beklagen, sondern mit Leistung zu überzeugen. Dort, wo wir zeigen konnten, was artec kann, kommen die Partner in der Regel wieder auf uns zu.
4investors.de: Wenn sie in diesem sensiblen Bereich das Ohr der Bundesregierung hätten: Was würden sie Berlin vorschlagen?
Hoffmann: Ich würde mir wünschen, dass man Verteidigung, Sicherheit und Digitalisierung konsequenter zusammen denkt. Viele Herausforderungen – von Drohnen über hybride Bedrohungen bis hin zu Desinformation – sind letztlich Daten- und Informationsprobleme. Hier könnte der Bund mehr Pilotprojekte mit klar definierten Zielen aufsetzen, in denen Behörden, große Systemhäuser und innovative Mittelständler gemeinsam Lösungen entwickeln. Wichtig wäre außerdem, Ausschreibungen stärker auf offene Schnittstellen und Interoperabilität auszurichten. Dann kann ein Spezialist wie artec seine Stärken in bestehende Systeme einbringen, ohne dass alles von einem einzigen Anbieter kommen muss.
4investors.de: Wie sehr wollen sie sich überhaupt im Bereich Defence/Verteidigung engagieren?
Hoffmann: Wir sind kein klassischer Rüstungskonzern und wollen das auch nicht werden. Unser Fokus liegt auf Technologien für Lagebilder, Aufklärung, Dokumentation und Analyse – also auf der Informationsseite der Sicherheitsarchitektur. Dort sehen wir sehr wohl eine Verantwortung und eine Chance, unseren Beitrag zu leisten, auch im Verteidigungsbereich. Entscheidend ist für uns, dass die Projekte rechtsstaatlich sauber aufgesetzt sind, klare ethische Leitplanken haben und langfristig tragfähig sind. In diesem Rahmen können wir uns ein deutlich stärkeres Engagement vorstellen.
4investors.de: Im Bereich der Drohnen sind sie ansonsten aber auch schon recht aktiv. Was bieten sie dort den Sicherheitsbehörden an?
Hoffmann: Wir unterstützen Sicherheitsbehörden zum Beispiel dabei, Einsätze mit Drohnen zu dokumentieren und auszuwerten. Unsere Systeme können Video- und Sensordaten aus bemannten und unbemannten Plattformen in Echtzeit empfangen, speichern, analysieren und für Lagezentren aufbereiten. So lassen sich etwa Großlagen, Demonstrationen oder Katastropheneinsätze deutlich besser überblicken. Ein zentrales Produkt ist dabei unser BOS Manager, der bei mehreren Polizeibehörden bereits im täglichen Einsatz ist und eine komplette Leitstelle abbilden und steuern kann – von der Einsatzdisposition über die Lagedarstellung bis hin zur Dokumentation. Genau dort könnte ein Modul für die Drohnenerkennung nahtlos ergänzt werden: Verdächtige Flugobjekte würden automatisch erkannt, im Lagebild visualisiert und mit anderen Einsatzinformationen verknüpft werden. Zusätzlich bieten wir Lösungen, mit denen Behörden im Nachgang Einsätze rechtssicher dokumentieren und auswerten können – ein wichtiger Aspekt, wenn Entscheidungen später nachvollziehbar sein müssen.
4investors.de: Ist Drohnenerkennung und -abwehr für artec das Geschäft der Zukunft?
Hoffmann: Entscheidend ist für artec die Rolle als Enabler. Wir verarbeiten, analysieren und visualisieren Informationen – egal, ob sie von stationären Kameras, Fahrzeugen, Drohnen oder anderen Sensoren kommen. Unser Zukunftsgeschäft sehen wir in intelligenten, vernetzten Systemen, die aus unterschiedlichsten Daten ein verständliches Lagebild machen und Entscheidungsträgern helfen, schneller und besser zu handeln. Drohnenerkennung und -abwehr ließe sich als Modul ideal in unseren BOS Manager integrieren. Allerdings benötigen wir dazu externes Kapital und Partner.
Hinweis auf Interessenskonflikt(e): Der / die Autor(in) oder andere Personen aus der 4investors-Redaktion halten unmittelbar Positionen in Finanzinstrumenten / Derivate auf Finanzinstrumente von Unternehmen, die in diesem Beitrag thematisiert werden und deren Kurse durch die Berichterstattung beeinflusst werden könnten: Artec Technologies.
