Deutschland: Inflationsrate sinkt überraschend auf 2,0% - Nord LB
Das Statistische Bundesamt hat soeben die Schnellschätzung zur Entwicklung der Verbraucherpreise im Berichtsmonat Juni veröffentlicht. Demnach ist die Inflationsrate in nationaler Abgrenzung (VPI) sowie bei dem für europäische Zwecke harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) jeweils auf 2,0% Y/Y gesunken. Gegenüber dem Vormonat blieb der Verbraucherpreisindex unverändert, der HVPI legte leicht zu (+0,1% M/M). Die heute gemeldeten Preisdaten liegen etwas unter den Erwartungen der zuvor befragten Analysten und Volkswirte und stellen somit eine positive Überraschung dar.
Im Vorjahresvergleich ist Energie auch im Juni billiger (-3,5% Y/Y) und dämpft damit weiterhin den Preisauftrieb, wenngleich sich dieser Effekt über die letzten beiden Monate etwas abgeschwächt hat. Dies wurde jedoch durch die rückläufige Dynamik bei Nahrungsmittelpreisen überkompensiert, die nun nur noch um 2,0% über dem Vorjahresniveau liegen. Damit reduzierte sich die Inflation bei Waren leicht auf 0,8% Y/Y. Aber auch die Kernrate ging im zurückliegenden Monat leicht auf 2,7% Y/Y zurück. Hintergrund ist, dass sich der Preisanstieg bei Dienstleistungen weiter verlangsamt hat, wenngleich nur leicht auf 2,7% Y/Y. Tiefergegliederte Ergebnisse zur Entwicklung der Verbraucherpreisinflation in Deutschland werden erst mit Veröffentlichung der finalen Daten bekannt gegeben.
Mit Blick auf die morgen zur Veröffentlichung anstehende Schnellschätzung zur Inflationsentwicklung im Euroraum liegen u.a. bereits Daten aus Frankreich (0,8% Y/Y), Italien (1,7%), Spanien (2,2%) und Portugal (2,1%) vor. Insofern zeichnet sich für den gesamten Euroraum eine Juni-Inflationsrate von 1,9 bis 2,0% Y/Y ab. Damit bleibt die Inflationsrate im angestrebten Stabilitätsbereich von 2%, den die Währungshüter in ihrer jüngsten Strategieüberprüfung noch einmal bekräftigt haben.
Die Inflation scheint vorerst gebändigt, die Maßnahmen der EZB haben sich als richtig und angemessen erwiesen. Am aktuellen Rand hat zusätzlich geholfen, dass die militärische Eskalation zwischen dem Iran und Israel im Juni zeitlich und regional begrenzt blieb, so dass es nicht zu neuen, nachhaltigen Preisschocks gekommen ist. So notiert der Rohölpreis seit Ende der direkten Konfrontation wieder unter der Marke von USD 70 je Barrel.
Die wichtigste Frage ist aber, wie sich die Inflation nun weiterentwickelt. Nach insgesamt acht Zinssenkungen hat die EZB von sehr restriktiv auf neutral zurückgeschaltet und steht auch bereit, bei Bedarf weitere Zinsanpassungen vorzunehmen. Hierfür braucht es aber weitere Fortschritte im Bereich der Kernrate, die aktuell noch etwas erhöht ist. Der Ausblick zur Lohnentwicklung stimmt hoffnungsvoll, dass sich der Preisauftrieb bei Dienstleistungen normalisieren wird. Für die Julisitzung der EZB dürfte dies aber keinen Ausschlag geben, hier ist eine Zinspause so gut wie sicher. Im weiteren Verlauf des Jahres dürfte sich aber das Fenster für eine weitere maßvolle Zinssenkung noch einmal öffnen.
Fazit: Die Inflationsrate ist in Deutschland im Juni überraschend auf den Zielwert der EZB von 2,0% Y/Y gesunken. Trotz des zwischenzeitlichen Ölpreisschubs bleiben die Energiepreise auch im Juni unter dem Niveau des Vormonats, zudem sank die Jahresrate bei den Nahrungsmittelpreisen. Auch die Kernrate ging dank einer leicht rückläufigen Preisdynamik bei Dienstleistungen minimal zurück. Auch die morgen zur Veröffentlichung anstehende Inflationsrate im Euroraum dürfte im Juni im Stabilitätsbereich von ca. 2,0% Y/Y geblieben sein. Somit ist die Inflation derzeit im Griff, die EZB darf sich bestätigt fühlen, sowohl bei der Straffung als auch bei der vor einem Jahr eingeleiteten Lockerung der Geldpolitik auf dem richtigen Kurs gewesen zu sein. Vor einer möglichen weiteren Lockerung wird die EZB aber erst eine weitere Verbesserung der Kernrate sehen wollen. Für die Juli-Ratssitzung stehen die Zeichen erstmal klar auf Zinspause.
Disclaimer: Dieser Text ist eine Kolumne der Nord LB. Der Inhalt der Kolumne wird von 4investors nicht verantwortet und muss daher nicht zwingend mit der Meinung der 4investors-Redaktion übereinstimmen. Jegliche Haftung und Ansprüche werden daher von 4investors ausdrücklich ausgeschlossen!
