Euroland: Höhere Inflation im Mai kein Hindernis für EZB - Nord LB
Soeben wurden Daten zum US-Arbeitsmarkt gemeldet. Die Zahlen sind sehr relevant für die Finanzmärkte, da sowohl die Beschäftigungs- als auch die Lohnentwicklungen mitbestimmen, in welchem Tempo die Fed die Zinsschritte und ein Quantitative Tightening vornehmen wird.
Die Inflationsrate im Euroraum ist im Mai leicht gestiegen. Gemäß Schnellschätzung von Eurostat bleibt sie aber mit 2,6% Y/Y in Reichweite des mittelfristigen Stabilitätsziels von 2%. Gegenüber dem Vormonat entspricht dies einem Anstieg des harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) um 0,2% M/M. Die Kernrate (ohne Energie, Nahrungsmittel, Alkohol und Tabak) legte ebenfalls um zwei Nachkommastellen auf nun 2,9% Y/Y zu. Insgesamt liegen die Zahlen etwas über den Erwartungen der zuvor befragten Volkswirte.
Mit einem Anstieg musste man nach den zuvor bereits von den nationalen Statistikämtern veröffentlichten Inflationsdaten rechnen. In den großen Euroländern Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien legte der HVPI jeweils um 0,2% M/M zu. Die Jahresraten reichen hier von 0,8% Y/Y in Italien bis zu 3,8% Y/Y in Spanien. Einen kräftigen Anstieg verzeichnete Portugal auf nun 3,9% Y/Y. Den gegenwärtig höchsten Preisdruck spüren die Verbraucher in Belgien mit einer Inflationsrate von erneut 4,9% Y/Y.
Im gesamten Euroraum haben vor allem etwas höhere Energiepreise +0,3% Y/Y und zum anderen ein deutlicher, aber erwartbarer Anstieg der Dienstleistungspreise auf 4,1% Y/Y die Inflation angeschoben. Letzteres ist zwar unschön, da dies den höchsten Wert seit Oktober 2023 darstellt. Allerdings war aufgrund der Normalisierung bei den Preisen für Pauschalreisen und wegen des ausgeprägten Basiseffekts in Deutschland mit einem Rückprall im Mai zu rechnen, nachdem im April die Preisdynamik aufgrund von Sondereffekten mit 3,7% Y/Y niedriger ausgewiesen worden war.
In den kommenden Monaten wirken zwar einige Basiseffekte tendenziell wieder entlastend, allerdings wird perspektivisch der gewichtige Basiseffekt bei den Energiepreisen auslaufen. Zudem erweist sich die Teuerung bei Dienstleistungen als relativ hartnäckig. Der weitere Verlauf der Inflationsrate wird somit einerseits holprig, andererseits der disinflationäre Trend deutlich langsamer verlaufen als in den vergangenen zwölf Monaten. Insgesamt sind die jüngsten Daten zur Verbraucherpreisentwicklung aber weiterhin konsistent mit einem sukzessiven Rückgang der Inflation in den Bereich des EZB-Stabilitätsziels.
Nachdem aufgrund hoher Einmalzahlungen das Lohnwachstum im ersten Quartal bereits etwas stärker als erwartet ausfiel, ist der beschleunigte Preisanstieg bei Dienstleistungen Wasser auf den Mühlen der Falken im EZB-Rat. Die geldpolitische Diskussion wird am kommenden Donnerstag vor diesem Hintergrund sicher sehr intensiv, die fest geplante erste Zinssenkung im Juni um 0,25 Prozentpunkte wird hierdurch jedoch auf den letzten Metern nicht mehr umgestoßen. Für die Falken im EZB-Rat enthalten die Mai-Inflationszahlen aber gute Argumente, nach einer ersten Zinssenkung im Juni weiter auf Sicht zu fahren, vielleicht sogar eine Absage an eine Zinssenkung im Juli auszusprechen und darüber hinaus sehr vorsichtig zu agieren. Allerdings werden geringere Inflationszahlen im Spätsommer den Handlungsdruck wieder erhöhen. Dies heißt, dass erst im September die nächste Zinssenkung zu erwarten ist.
Fazit: Die Inflationsrate im Euroraum ist im Mai gestiegen, gemäß Schnellschätzung kletterte sie auf 2,6% Y/Y. Vor allem etwas höhere Energiepreise und ein Rückprall bei den Preisen für Dienstleistungen (4,1% Y/Y) haben hierzu beigetragen. Letzteres ist jedoch keine Überraschung, Volkswirte hatten dies aufgrund eines ausgeprägten Basiseffekts in Deutschland und der erwartbaren Normalisierung der Preise von Pauschalreisen fest auf ihrer Rechnung. Gleichwohl ergibt sich zusammen mit der im ersten Quartal höher als erwartet ausgefallenen Lohndynamik am aktuellen Rand ein Datenkranz, der zumindest kurzfristig Wasser auf den Mühlen der Falken im EZB-Rat ist. Die Juni-Zinssenkung wird auf den letzten Metern hiervon zwar nicht umgestoßen, aber vorerst wird die EZB sehr vorsichtig und strikt datenabhängig agieren wollen. Die EZB könnte sogar explizit einer weiteren Zinssenkung schon im Juli eine Absage erteilen. Auf jeden Fall rechnen wir nach dem Auftakt im Juni nicht vor dem September mit der nächsten Leitzinsreduktion.
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