Krisencocktail - Börse München
An den Börsen führte sich der Juli alles andere als begeisternd ein, der Dax fiel zwischenzeitlich fast 500 Punkte unter die 16.000er Marke, die er im Juni noch so flott überschritten hatte. Kein Wunder, die Lage sieht auch nicht so rosig aus: „Bundesbank-Präsident Nagel: Noch keine Entwarnung bei Inflation“ (Handelsblatt). „Schwache Wirtschaftsdaten drücken Dax“ (Börsen-Zeitung) – die Zeiten sind so auf Sparflamme getrimmt, dass sogar schon die Artikel schwinden (drücken den Dax… bei der Inflation). Die Frankfurter Allgemeine Zeitung fasst es so zusammen: „Deutschlands Krisencocktail“! Der besteht laut dem Blatt aus schlechter Stimmung, weniger Exporten und zu viel Bürokratie! Nachdem auf der Theresienwiese in München bereits erste Anzeichen für den Aufbau des Oktoberfestes zu erkennen sind (eigener Augenschein), bleibt der größte Skandal in München, aufgedeckt von der Abendzeitung: „Leberkas – aus Erbsen“! Der soll auf der Wiesn geliefert werden und selbst Bayern-Star Thomas Müller soll darauf schwören…
Mut zur 5
Gerade in schlechten Börsenzeiten gilt es, Optimismus zu verbreiten. Greifen wir also zu den einschlägigen Finanzmagazinen und lesen auf dem Titel von Börse Online: „Jetzt verkaufen“, schauen erschrocken genauer hin und erkennen, das „ver“ ist ja durchgestrichen. Noch mal Glück gehabt. Den Tipp geben die „erfahrensten Börsenexperten“ Deutschlands nicht schwarz auf weiß, sondern in schwarz-weiß abgebildet: Folker Hellmeyer, Jens Ehrhardt, Ronald Stöferle, Frank Fischer, Klaus Kaldemorgen, Johannes Hirsch und Robert Halver. Da kann ja nichts schiefgehen, geben sie doch ihre „Markteinschätzungen, ihre Empfehlungen und ihren Rat“! Guter Rat muss also nicht teuer sein, kostet ein Exemplar doch nur 5,80 Euro! Focus Money ruft zu „Mut zur Rendite“ auf und hat sich in die bei Schülern eher unbeliebte Zahl fünf verliebt: „5% - 50% - 500%“, schließlich geht es um die „größten Kurschancen, die besten Aktien und die höchsten Anleihezinsen“. Kleine Anmerkung, das Magazin kostet nicht mal 5 Euro, sondern nur 4,80 Euro! Wir fragen uns gerade, wie das noch zu toppen ist, da macht Der Aktionär mit „Fünf-Sterne-Aktien“ auf, „top bewertet“, eben. „Wachstum, Chart, Bewertung: Hier stimmt einfach alles“. Vielleicht auch der Preis, denn der liegt bei 7,80 Euro. AnlegerPlus gibt sich da erfrischend anders, erfrischend auch insofern, als er blau in blau aufmacht: „Bluechips vs. Nebenwerte“ heißt es da ganz neutral, die Unterzeile beruhigt uns dann schon wieder in Sachen Zurückhaltung: „Der optimale Mix für Ihr Investmentportfolio“. Übrigens, aus dem unerschöpflichen Lexikon des unnützen Wissens fällt uns noch ein, dass Blue Chips ursprünglich nach den teuersten Chips im Casino von Monte Carlo benannt sind – in den USA ist der Blue Chip dagegen nur 10 Dollar wert, so jedenfalls die Casino Control Commission des State of New Jersey. Und weil wir buchhalterisch aufgestellt bei den Preisen sind, AnlegerPlus ruft, die Leser ahnen es, jetzt endlich die 5 Euro auf!
Beste Börsen
Wir müssen gestehen, den Statistikteil von Der Aktionär bisher übersehen zu haben, blicken wir doch den ganzen Tag vordringlich auf Zahlen. Aufmerksam wurden wir aber durch die Überschrift „Die besten Börsen 2023“, was nicht nur wegen der Alliteration einen guten Klang für uns aufweist, und erwarteten unsere Börse selbstverständlich (und selbstreferentiell) im oberen Bereich. Mit Enttäuschung nahmen wir wahr, dass damit Länderindizes gemeint waren und nicht tolle Börsen, da zeigte sich Deutschland mit dem Dax aktuell nur auf Rang 17 von 30. Unteres Mittelfeld, also in etwa entsprechend unseren Nationalmannschaften im Fußball. Die ersten Plätze nehmen hingegen Argentinien, Venezuela und Griechenland ein, die Performance des argentinischen Merval liegt bei satten 118,5 Prozent. Wir haben gleich nachgesehen, aktuell sind an der Börse München zehn argentinische Aktien gelistet – heute alle im Minus, aufs Jahr gesehen aber tatsächlich mit dreistelliger Rendite. Ein kurzer Blick auf die Inflationsrate des Landes macht uns diese Rendite dann doch wieder ein wenig madig: 114,25 Prozent!
Absurde Absenzen
Es waren doch selige Zeiten, als man endlich 18 Jahre alt geworden war und die Entschuldigungen für Schuleschwänzen selbst unterschreiben durfte. Der Kreativität waren kaum Grenzen gesetzt und hier tief im Süden galt insbesondere „Bergfieber“ als gewichtiger Grund, nicht am Unterricht zu erscheinen, auch „Seekrankheit“ war im Sommer recht beliebt. Ein Trend, der sich inzwischen offensichtlich auch auf das Arbeitsleben ausgedehnt hat, bei dem die meisten Teilnehmer ja auch das 18. Lebensjahr überschritten haben dürften. Zu dem Schluss kommt zumindest Capital und versammelt unter „Blaumachen: Zehn bizarre Ausreden“. Immerhin machen rund 10 Prozent der Arbeitnehmer gelegentlich blau – wobei wir das Ergebnis einer Umfrage doch einigermaßen bezweifeln. Zu den zitierten Ausreden zählte beispielsweise ein Hai-Biss – was wahrscheinlich stark vom Ort abhängig sein dürfte, in Rosenheim erscheint das unwahrscheinlicher als in Kapstadt. Während es bei der Ausrede, ein Finger stecke in einer Bowlingkugel fest, stark auf den Beruf ankommt, da mag eine solche Kugel manchmal vielleicht sogar hilfreich sein. Unser persönliches Highlight war jedoch, dass sich ein Mitarbeiter an diesem Tag für nicht besonders schlau hielt, was ihm der Arbeitgeber sicher bestätigen konnte. Da fiel uns ein, dass in der Süddeutschen Zeitung berichtet wurde, dass sich 80 Prozent der Menschen für schlauer als den Rest halten, was statistisch eher schwierig ist. Dieser auch Better-than-Average genannte Effekt führt im Übrigen auch an der Börse zu eher schlechten Ergebnissen. Naiv wie wir sind, denken wir, dass die restlichen 20 Prozent, die sich nicht für schlauer halten, die schlauen sind…
Disclaimer: Dieser Text ist eine Kolumne der Bayerischen Börse AG. Der Inhalt der Kolumne wird von 4investors nicht verantwortet und muss daher nicht zwingend mit der Meinung der 4investors-Redaktion übereinstimmen. Jegliche Haftung und Ansprüche werden daher von 4investors ausdrücklich ausgeschlossen!