Aha-Effekt in Ewigkeit - Börse München
„Der fragile Börsenboom“ lautete der Aufmacher im Handelsblatt am Montag und das Blatt fügte hinzu: „Damit wachsen die Sorgen vor einer Korrektur“. So ist es dann prompt passiert und die Börsen-Zeitung stellte einen Tag später fest: „Dax legt Verschnaufpause ein“. Dabei beließ er es jedoch nicht, vielmehr ging ihm gehörig die Luft aus und er purzelte wieder unter die 16.000er Marke. „Jerome Powell drückt den Dax“, merkt die Börsen-Zeitung dazu an. Wie er das macht? Er unkte darüber, dass die Leitzinsen am Jahresende höher sein könnten als heute. Und weitere Notenbanken haben die Zinsen tatsächlich erhöht: „Bank of England dreht Zinsschraube deutlich fester“, schreibt die Börsen-Zeitung, nämlich um 50 Basispunkte auf 5 Prozent! Nachgelegt haben auch die Banken von Norwegen (50 Basispunkte), der Schweiz (25 Basispunkte) und der Türkei (um 6,5 Prozentpunkte).
Helles Licht
Allen modernen Lichtquellen zum Trotz steht die gute alte Glühbirne weiterhin für ein helles Köpfchen, wie weiland das Helferlein von Daniel Düsentrieb. Sofern wundert es nicht, dass Der Aktionär mit einem Glühbirnenmännchen aufmacht, das auch noch mit Krawatte bestückt ist und sich in buddhistischer Ohm-Haltung zeigt. Es will uns damit nur eines sagen: „Geniale Anlageideen“. Fünf Aktien mit „Aha-Effekt“ sind gemeint, besser als fünf mit Ach-Du-Schreck-Effekt. Wer jetzt verzweifelt durch den Aktienwald irrt, dem verspricht Focus Money einen „Kompass für Ihr Geld. Alles über Aktien, Märkte und Megatrends. So steigern Sie Ihr Vermögen in unsicheren Zeiten“. Was will man mehr? Selbstverständlich „Megatrend-Aktien für die Ewigkeit“, die gibt’s aber nur in Börse Online. „So werden aus 50.000 Euro 1 Mio.“, verspricht uns die Redaktion! Hoffentlich aber nicht erst in aller Ewigkeit, ein wenig vorher könnten wir es schon gebrauchen! Euro am Sonntag titelt schlicht mit „Das Beste aus Deutschland. Das sind die Top-Aktien fürs zweite Halbjahr“. Dann kann ja nichts mehr schiefgehen.
Wie weit der Monat bereits fortgeschritten ist, beweisen die Monatsmagazine, die uns per Post (bald DHL, siehe weiter unten) als Juli-Ausgaben erreichten. Der EURO präsentiert uns die Weltkugel, weil es um nichts weniger als „Das Beste der Welt“ geht. Genauer, die besten Aktien, ETFs, Zertifikate und Fonds. Capital zeigt die Illustration (von Emma Roulette) eines schwitzenden Rennradlers, der eine 10 km lange, 6prozentige Steigung vor sich weiß: „Inflation. Das schaffen Sie auch noch“, lesen wir dazu verbunden mit Tipps, wie die Rentenlücke trotz Preissteigerungen geschlossen werden könnte. Dabei wollten wir doch auf ein E-Bike umsteigen, spätestens in der Rente. Da geht’s dann leichter bergauf als bergab. Auch die Juliausgabe von Traders‘ liegt auf unserem Tisch und verbreitet ein wenig Ratlosigkeit: Ein Mann in Anzug und Krawatte balanciert mit verbundenen Augen auf einer Hochhauskante: „Dem Risiko einen Schritt voraus“. Nun, in seiner Lage würden wir besser keinen Schritt voraus, sondern lieber zurück machen, das würde das Risiko eindeutig mindern. „Der Kunst des Geldverbrennens Einhalt gebieten“, lautet die Unterzeile, die uns durch ihre grammatische Form mehr als durch ihre Logik erfreut, denn wenn wir schon Geld verbrennen, soll es wenigstens kunstreich sein. Einen sprintenden jungen Mann (ohne Krawatte!) zeigt uns die aktuelle Ausgabe von TIAM Trends im Asset Management: „Vorsprung gewahrt“. Vor was, vorm Risiko, fragen wir in Erinnerung an Traders‘, aber nein: „Warum Private Debt eine sinnvolle Alternative bleibt“ – steht dann im Heft!
Falsche Beichte
Ganz wörtlich nahm der Betreiber einer US-Restaurantkette wohl das Thema „Beichten“ seiner Untergebenen. Er richtete keinen Postkasten für Whistleblower ein, sondern heuerte einen „falschen Priester“ an und schickte sein Personal zum Beichten. Dem fiel auf, dass sich der Priester insbesondere für ihr Verhalten gegenüber dem Arbeitgeber interessierte und weniger an den sonstigen Sünden des Lebens Anteil zeigte - die doch oft viel spannender sind. Eine Rückfrage beim Arbeitgeber des Priesters, der katholischen Kirche, ergab ganz ohne Beichtgeheimnis, dass er gar nicht bei ihr beschäftigt sei. Die Folge: Der Restaurantbetreiber muss 14.000 Dollar an seine 35 offensichtlich katholischen Angestellten überweisen – ob er auch zur Beichte muss, wurde nicht berichtet. Apropos berichtet, wir entnehmen die Story Gabor Steingarts Newsletter.
Heimisch Schämen
Schämen sich jetzt tatsächlich Unternehmen, die die Bezeichnung „Deutsch“ im Namen tragen? Ist es so weit gekommen? Deutsche Bank, Deutsche Telekom, Deutsche Lufthansa und Deutsche Post wären da im Deutschen Leitindex Dax zu nennen, während der Deutsche Schäferhund dazu wahrscheinlich keine Meinung hat. Die Post scheint jetzt jedenfalls genug davon zu haben, obwohl zu 20 Prozent in (deutschem) Staatsbesitz will sie sich in DHL umbenennen. „Sogar die Post schämt sich für Deutschland“, ist der Artikel in Die Welt überschrieben. Für verspätete Briefzustellungen schämt sie sich eher nicht. DHL lernen wir steht nicht für DuHastLieferprobleme, auch nicht für DeutscheHöchstLeistung (wo gibt’s die schon noch, da plädieren wir eher für DaHilftLachen), sondern für Dalsey, Hillblom und Lynn, die 1969 den Paketdienst in San Francisco gegründet haben. Das Made in Germany hat offensichtlich viel von seinem Klang eingebüßt – oder findet zum Ursprung zurück, denn eingeführt wurde es Ende des 19. Jahrhundert ja als Schmähbegriff und nicht als Gütesiegel. Ob künftige Generationen statt „die Post ist da“ „DHL liegt auf dem Tisch“ sagen werden?
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