DAX: Die Angst der Anleger vor der Fed - Nord LB
Nach einer zwischenzeitlichen Erholung belastet inzwischen wieder vor allem die Sorge vor höheren Zinsen in den Vereinigten Staaten die Kurse an den internationalen Aktienmärkten. Dabei gerät nun der US-Bundesstaat Wyoming in den Fokus der Anleger – eine eher abgelegene und ländlich geprägte Gegend, die in der Regel nur einmal im Jahr ins Blickfeld der Investoren rückt. Hier findet nämlich regelmäßig das Jackson Hole Symposium der Kansas City Fed statt. Am Freitag wird der US-Notenbankchef Jerome Powell in seiner Rede anlässlich dieser Konferenz Leitlinien für die weitere Geldpolitik in den Vereinigten Staaten vorgeben. Die Märkte fürchten einen recht „hawkishen“ Auftritt Powells. Diese Sorgen sind durchaus begründet. Die noch immer viel zu hohen Inflationsraten im Land der unbegrenzten Möglichkeiten zwingen den Fed-Chef fast schon zu entsprechenden Kommentaren, was den US-Leitindex S&P 500 jüngst unter die Schwelle von 4.200 Zählern drückte und beim DAX in Deutschland die psychologisch wichtige Marke von 13.000 Punkten wieder in den Fokus gerückt hat.
Die taktische Bedeutung der Rede von Powell sollte allerdings auch nicht überbewertet werden. Bis zur nächsten FOMC-Sitzung am 20. und 21. September werden noch viele relevante Konjunkturdaten gemeldet. Die Anmerkungen des Fed-Chefs geben somit zwar wohl schon Indikationen über die momentanen Denkprozesse innerhalb der US-Notenbank, die Märkte dürften aber auch nach seinem Auftritt wahrscheinlich nicht genau wissen, ob das FOMC die Fed Funds Target Rate demnächst um 50 oder 75bp anheben wird. Die Existenz eines ausgeprägten Handlungsbedarfs bei der US-Notenbank ist aber wohl unumstritten.
In der jüngeren Vergangenheit sind an den internationalen Finanzmärkten größere Bedenken bezüglich des Wirtschaftswachstums in den USA aufgekeimt. Nachdem die noch vorläufigen BIP-Zahlen für das II. Quartal inzwischen bereits eine „technische“ Rezession in den Vereinigten Staaten anzeigen, fragen sich die Anleger, ob eventuell sogar ein stärkerer Einbruch der Wirtschaftsaktivität drohen könnte. Dies würde die Weltwirtschaft natürlich deutlicher belasten.
Unserer Auffassung nach muss es dazu nicht kommen. Allerdings spielt die US-Notenbank in diesem Kontext eine zentrale Rolle. Wenn das FOMC bei der sicherlich notwendigen Neuausrichtung seiner Geldpolitik über das Ziel hinausschießen sollte, würde in Nordamerika eine relativ scharfe Rezession drohen. Die Fed ist sich dieser Tatsache jedoch bewusst. Da die Inflationsentwicklung in den USA perspektivisch eine größere Vorsicht bei den Notenbankern in Washington erlauben dürfte, muss dieses negative Szenario somit nicht zwangsläufig eintreten. Allerdings besteht natürlich ein nicht zu unterschätzendes Restrisiko, welches die internationalen Aktienmärkte unserer Ansicht nach aktuell nicht angemessen einpreisen. Dies gilt insbesondere für die US-Wertpapiere. So notiert das KGV des S&P auf Basis der Konsensgewinnschätzung für das Jahr 2023 aktuell bei fast 17 – ein Wert, der fundamental betrachtet nur bei einem positiven Konjunkturverlauf günstig erscheinen dürfte.
Fazit: Die globalen Aktienmärkte blicken mit größeren Sorgen auf die weitere US-Geldpolitik und fürchten, dass das FOMC den Bogen bei der Neuausrichtung seiner Geldpolitik überspannen könnte. In diesem Fall würde die Wirtschaft der Vereinigten Staaten unter Druck geraten. Dieses Szenario wird vom S&P 500 wohl noch nicht angemessen eingepreist. Wir sehen den US-Leitindex zum Jahresende daher im Bereich von 3.800 Punkten. Entsprechend hat auch der DAX unseres Erachtens kein größeres Potential für Kursanstiege. Wir erwarten bei diesem Index einen Jahresendstand im Bereich des aktuellen Niveaus.
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