FC Schalke 04: Anleihe ist „eine interessante Alternative in volatilen Börsenzeiten“
Der FC Schalke 04 begibt in diesen Tagen eine neue Anleihe, mit der eine 2023 auslaufende Anleihe refinanziert werden soll. Das neue Papier hat ein Maximalvolumen von 34,107 Millionen Euro und läuft bis Sommer 2027. Die jährliche Verzinsung liegt bei 5,5 Prozent. Es gibt ferner eine mögliche Extrazinszahlung, wie Christina Rühl-Hamers, Mitglied des Vorstands von S04 und dort verantwortlich für die Finanzen, im Exklusivinterview mit unserer Redaktion erläutert.
Rühl-Hamers geht in dem Gespräch auf den Ukraine-Krieg und die Folgen für das Sponsoring von Schalke 04 ein. Sie erläutert, wo der Fußballclub ein Vorreiter im deutschen Fußball ist und schneidet die Themen Wiederaufstieg und Kaderumbau an. Angesprochen werden von der Finanzvorständin auch das Bauprojekt Berger Feld sowie die Aktivitäten im Bereich Esports.
www.4investors.de: Sie begeben jetzt eine Anleihe, um eine 2023 fällige Anleihe zu refinanzieren. Ist der Zeitpunkt gut gewählt?
Rühl-Hamers: Für uns war es wichtig, die Refinanzierung der Anleihe 2016/23 frühzeitig anzugehen, um in keinerlei Handlungsdruck zu geraten. Wir wollen wirtschaftliche Herausforderungen immer mit kaufmännischer Vernunft und Weitsicht angehen – dieses Credo steht über all unseren Entscheidungen. Wir sind überzeugt, dass wir so dem Verein die größtmögliche finanzielle und wirtschaftliche Handlungsfähigkeit ermöglichen, was im Sport häufig ein entscheidender Faktor ist. Insofern sind wir überzeugt, dass es richtig ist, die Refinanzierung jetzt anzugehen.
www.4investors.de: An den Kapitalmärkten gibt es derzeit eine große Unsicherheit hinsichtlich der Entwicklungen in Osteuropa. Wie sehr spüren Sie dies bei ihren Gesprächen?
Rühl-Hamers: Der Angriffskrieg gegen die Ukraine ist furchtbar. Dies war auch der Grund, weshalb wir uns von unserem Hauptsponsor in der laufenden Saison getrennt haben. Allein deshalb werden wir häufig darauf angesprochen und dabei sehr oft in unserer Entscheidung bestärkt. Alle im Verein hoffen, dass dieser sinnlose Krieg bald ein Ende hat. Meine aktuelle Einschätzung ist, dass die momentane Unsicherheit am Kapitalmarkt die laufende Emission aber nur bedingt beeinflusst, da unsere Zeichner vermutlich eher in die Kategorie “Buy and Hold” fallen, also langfristig orientiert sind. Wir sind überzeugt, dass die Anleihe für viele eine interessante Alternative in volatilen Börsenzeiten ist. Offen ist, ob die spürbaren Preissteigerungen in allen Lebensbereichen eine Rolle bei der Entscheidung zur Zeichnung spielen.
www.4investors.de: Bei der Anleihe haben Sie ein Bonbon für Anleger eingebaut: den Aufstiegsbonus. Was soll dies letztlich bringen?
Rühl-Hamers: Gemeinsam die Zukunft zeichnen – unter diesem Motto werben wir für unsere Anleihe, da sie ein weiterer wichtiger Baustein ist, um den Verein wieder nach vorne zu bringen. Unseren Anlegern bietet sich mit der Anleihe die Möglichkeit, aktiv am Projekt Wiederaufstieg mitzuwirken. Daher sollen sie für ihre Unterstützung neben dem attraktiven Zinssatz von 5,50 Prozent p.a. zusätzlich belohnt werden. Der Aufstieg ist fest in unserem Drei-Jahres-Plan verankert, und unsere Zeichner können sich dann doppelt freuen – über unseren sportlichen Erfolg und über eine einmalige Sonderzahlung in Höhe von 2,0 Prozent.
www.4investors.de: In einem Pressegespräch haben Sie jüngst gesagt, dass Sie zufrieden seien, wenn Sie mit der neuen Anleihe einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag hereinholen. Wie soll dann die 2023er Anleihe komplett refinanziert werden?
Rühl-Hamers: Mit der frühzeitigen Refinanzierung geht es auch darum, unser Fälligkeitenprofil der Finanzverbindlichkeiten zu glätten, d.h. hohe Einmalfälligkeiten aufzulösen. Da hilft es auch schon weiter, jetzt mit der Emission der Anleihe 2022/2027 einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag zu generieren. Wie im Sport entwickeln wir auch im wirtschaftlichen Bereich für verschiedene Szenarien immer mehrere Handlungsoptionen, um auf alle Fälle so gut wie möglich vorbereitet zu sein – so auch für die Rückzahlung im kommenden Jahr. Ein weiterer Aspekt, der zu unserem Credo der kaufmännischen Vernunft passt.
www.4investors.de: Der FC Schalke 04 ist vom Krieg in der Ukraine ja indirekt betroffen. Den Vertrag mit Gazprom haben Sie gekündigt. Das hat eine Lücke in ihr Budget gerissen. Wie werden Sie diese neben den neuen Engagements von Vivawest und Rewe füllen?
Rühl-Hamers: Der Verlust des Hauptsponsors mitten in der Saison reißt bei jedem Verein der Welt erst einmal eine Lücke ins Budget. Insofern sind wir unserem Nachbarn Vivawest sehr dankbar, dass sie so kurzfristig eingesprungen sind. Mit Rewe konnten wir kurz darauf bereits einen zweiten namhaften Partner finden, der fortan auf der Trainingsbekleidung unserer Profimannschaft sichtbar ist. Im deutschen Profifußball sind wir mit diesem Modell Vorreiter. Wir wollen auch in Zukunft neue und zu Schalke passende Sponsoring-Möglichkeiten entwickeln, um die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit des Vereins weiter zu stärken. Der FC Schalke 04 mit seinen 160.000 Mitgliedern ist und bleibt eine gefragte Marke. Daher sind wir überzeugt, dass uns das auch gelingen wird.
www.4investors.de: Das Beispiel HSV zeigt, dass aus einem geplanten schnellen Wiederaufstieg ein mehrjähriger Verbleib in der 2. Liga werden kann. Wie viele Jahre 2. Liga hält Schalke wirtschaftlich aus?
Rühl-Hamers: Auch wenn der Wiederaufstieg strategisch fest in unserem Drei-Jahres-Plan verankert ist, bedeutet das nicht, dass er zwingend erforderlich ist. Es gibt einige Beispiele, die zeigen, dass eine solche Planung fahrlässig wäre. Wie bereits gesagt, planen wir mit kaufmännischer Vernunft und entwickeln für verschiedene Szenarien Handlungsoptionen. Die Unterschiede zwischen den Planungen für die erste und die zweite Liga sind mit Blick auf das Lizenzspielerbudget natürlich groß. Wir sind aber auf die verschiedenen Fälle vorbereitet. Dazu zählt auch ein längerer Verbleib in Liga zwei.
www.4investors.de: Müssen weitere Kosten gekürzt und/oder Spieler wie Malick Thiaw verkauft werden, wenn der Wiederaufstieg in dieser Saison nicht geschafft wird?
Rühl-Hamers: Nein, es besteht in dieser Hinsicht kein Automatismus. Ein ganz wesentlicher Grund, warum wir die schwerste Krise des Vereins mit der Corona-Krise und dem Abstieg verkraften konnten, war die erfolgreiche zielgerichtete Reduzierung des Spieleretats auf ein Niveau, das wir auch bei einem Verbleib in der zweiten Liga auf einem stabilen Niveau halten werden. Da haben meine Kollegen Peter Knäbel und Rouven Schröder hervorragende Arbeit geleistet.
www.4investors.de: Sie sagten jüngst, dass es im Sommer im Kader weitere Veränderungen geben wird. Woran denken Sie dabei?
Rühl-Hamers: Wir haben von Anfang an betont, dass der Kaderumbau nicht innerhalb einer Sommer-Transferperiode abgeschlossen werden kann. Das ist ein mehrjähriger, mehrstufiger Prozess, auf den wir uns gut vorbereitet haben.
www.4investors.de: Der Ausschluss von Zuschauern durch die COVID-19 Pandemie dürfte Schalke viele Millionen gekostet haben. Inwieweit sind in Anbetracht der weiter unsicheren Lage Zuschauereinnahmen ein solider Teil ihrer wirtschaftlichen Planung für die laufende und die kommende Saison?
Rühl-Hamers: Ebenso wie bei den Unwägbarkeiten des sportlichen Erfolgs wird im Rahmen der Planung solchen Einflüssen dadurch Rechnung getragen, dass die Vereinsführung ein realistisches Szenario auf Basis von Erfahrungswerten der Vergangenheit oder auch Einschätzungen von Fachleuten wie z.B. zum weiteren Verlauf der COVID-19 Pandemie zugrunde legt. Wir planen eher konservativ, um vorbereitet zu sein.
www.4investors.de: Rechnen Sie mit einer Lizenzerteilung ohne Auflagen?
Rühl-Hamers: Wir wollen da nicht vorgreifen, aber wir sind davon überzeugt, dass wir die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Erteilung der Lizenz geschaffen haben. Sollte es Auflagen geben, werden wir diese erfüllen.
www.4investors.de: Sind alle möglichen Abschreibungen auf das Projekt Berger Feld inzwischen getätigt? Und hat das Projekt noch irgendeine Zukunft?
Rühl-Hamers: Im Frühjahr 2021 hat der Verein entschieden, das Bauprojekt Berger Feld II zu stoppen. Im Detail bedeutete das, dass wir, um den jetzigen Stand physisch und genehmigungstechnisch nutzen zu können, notwendige Restarbeiten, wie z.B. die Herrichtung der Baustellenfreiheit, noch abschließen werden. Da wir aktuell nicht mit einer zeitnahen Wiederaufnahme der Bauarbeiten der großen Teilprojekte, wie zum Beispiel das Tor auf Schalke oder das Portalgebäude, rechnen, haben wir die entsprechenden Anlagen im Bau außerordentlich abgeschrieben. Für die Investitionen, die noch abgeschlossen werden oder in der Vergangenheit bereits errichtet wurden, werden in den nächsten Jahren planmäßige Abschreibungen anfallen.
www.4investors.de: Könnte es ein Revival der Esport-Aktivitäten geben?
Rühl-Hamers: Wir haben unsere Esports-Aktivitäten nie eingestellt, sondern nach dem gewinnbringenden Verkauf des LEC-Slots neu ausgerichtet. Wir sind weiterhin in der höchsten deutschen „League of Legends“-Liga vertreten, sind außerdem in der Virtual Bundesliga unterwegs. Wir haben unser Portfolio über den sportlichen Erfolg hinaus erweitert – zum Beispiel mit einem Fokus auf sozialem Engagement für unsere Region. Die Verlängerung der Partnerschaft mit der R&V zeigt, wie attraktiv der Esports auf Schalke weiterhin ist.
www.4investors.de: Bis Ende 2021 konnten Sie die Verbindlichkeiten von 217 Millionen Euro auf 183 Millionen Euro reduzieren. Wo liegt ihre Ziellatte für Ende 2022?
Rühl-Hamers: Zunächst mal ist es unser klares strategisches Ziel die Verschuldung des FC Schalke 04 mittel- bis langfristig weiter zu senken. Was das für das Geschäftsjahr 2022 bedeuten wird, müssen wir mit Blick auf die vielen Variablen, zum Beispiel Corona und auch das Sommertransferfenster 2022, abwarten.
www.4investors.de: Kann es weitere Corona-Hilfen vom Staat geben?
Rühl-Hamers: Wir haben für die pandemiebedingten Umsatzverluste im 1. Halbjahr 2021 eine Überbrückungshilfe aus Bundesmitteln erhalten. Für den Folgezeitraum prüfen wir aktuell, inwieweit wir für weitere Mittel antragsberechtigt sind. Damit sind wir in der 1. und 2. Bundesliga übrigens kein Einzelfall.

