ZEW-Konjunkturerwartungen: Optimismus der Finanzexperten ungebrochen - Nord LB
Heute Vormittag hat das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) aktuelle Ergebnisse seiner monatlichen Konjunkturumfrage unter Volkswirten, Analysten und Fondsmanagern veröffentlicht. Im Februar hat sich demnach die Stimmung unter den befragten Finanzmarktexperten überraschend weiter aufgehellt. Im Vergleich zum Vormonat verbesserten sich die Konjunkturerwartungen für Deutschland von 61,8 auf 71,2 Saldenpunkte. Auch für die Eurozone hellten sich die Perspektiven für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in sechs Monaten weiter auf (69,6 Punkte).
Allerdings wird die aktuelle gesamtwirtschaftliche Situation, wie schon in den Vormonaten, von einem großen Teil der Befragten weiter als schlecht bezeichnet. Die Lagekomponente sank marginal auf -67,2 Saldenpunkte. Nachdem die Statistiker für das deutsche Wirtschaftswachstum im vierten Quartal 2020 noch eine schwarze Null auswiesen, deuten hochfrequente Indikatoren auf ein schwierigeres erstes Quartal hin. Die fortdauernden Eindämmungsmaßnahmen belasten zusehends die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, zudem drohen die zunehmenden Grenzkontrollen den Handel und auch Wertschöpfungsketten im verarbeitenden Gewerbe zu beeinträchtigen.
Allerdings mahnt die hohe Unsicherheit im Hinblick auf den Effekt der neuen Virusmutanten in den nächsten Wochen noch zu einer besonderen Vorsicht. Dies erklärt, warum die Regierungschefs der Länder und die Bundesregierung an dem harten Lockdown mehr oder weniger für den gesamten Winter festhalten dürften. Allerdings bietet der jüngste Beschluss auch erste Perspektiven für die Rücknahme einzelner Einschränkungen. Aus ökonomischer Perspektive sollten mögliche Öffnungen aber vor allem auch nachhaltig durchhaltbar sein. Ökonomische Aktivität lässt sich nicht wie ein Lichtschalter beliebig ein- und ausknipsen. Dies verdeutlicht, dass staatliche Hilfen noch einige Zeit dringend erforderlich sind, um Unternehmen eine Brücke über das Coronatal zu bauen.
Vor dem Hintergrund des bereits November andauernden Lockdowns präsentiert sich die deutsche Volkswirtschaft insgesamt aber in einer fast schon erstaunlich robusten Verfassung. Trotz einiger (Start-)Probleme ruhen die Hoffnungen der Finanzmarktakteure weiter klar auf den Impfkampagnen, anders lässt sich der in den heutigen Umfragedaten zum Ausdruck kommende – fast schon überschäumende – Optimismus kaum erklären. Auch der DAX kratzt wieder am Allzeithoch.
Von besonderem Interesse an den Finanzmärkten ist nach dem Sprung der Inflationsrate zum Jahresanfang die weitere Preisentwicklung. Die Umfrageteilnehmer erwarten im Februar fast einhellig (+73,5 Saldenpunkte) eine auf Sicht von sechs Monaten steigende Inflationsrate in Deutschland. Alles andere wäre aber auch verwunderlich: Die Jahresrate der Verbraucherpreise wird im zweiten Halbjahr durch den Effekt der unterschiedlichen MWSt-Sätze in 2021 und 2020 für sechs Monate erheblich nach oben verzerrt. In Deutschland sind so zeitweise Inflationsraten im Bereich von 3% Y/Y (Eurozone: 2%) wahrscheinlich. Durch diese temporären Effekte wird die EZB aber hindurchschauen, trotz der jüngst recht hawkishen Anmerkungen von Jens Weidmann.
Fazit: Die Stimmung der Finanzexperten hat sich im Februar noch einmal deutlich verbessert. Die ZEW Konjunkturerwartungen legten auf 71,2 Saldenpunkte zu, Impfhoffnungen wiegen für das Sentiment offenbar schwerer als die Verlängerung des Lockdowns bis in den März hinein. Der Optimismus der Finanzexperten bleibt jedenfalls ungebrochen, auch der DAX notiert nur noch knapp unter seinem Allzeithoch. Die Erwartung höherer Inflationsraten in sechs Monaten erscheint angesichts der absehbaren Verzerrungen im Jahresverlauf fast schon tautologisch. Die EZB wird zumindest für die Dauer der Coronakrise durch derart temporäre Effekte hindurchsehen. Das weiß auch Jens Weidmann, der mit seinen Äußerungen wohl eher für die EZB-Strategiediskussion etwas vorgebaut haben dürfte.