Geldanlage: Von der Virus- zur Aktienpandemie - Weberbank-Kolumne
Noch im letzten âFinanzmarkt aktuellâ hatten wir uns erstaunt gezeigt, dass die MĂ€rkte bis dato sehr sorglos mit den möglichen Auswirkungen der COVID-19-Ausbreitung umgingen. Inzwischen haben die MĂ€rkte eine crashartige Kehrtwende vollzogen und ein höheres Risiko eingepreist. Was im Einzelnen geschah, und warum die MĂ€rkte derart reagierten, lesen Sie im heutigen Finanzmarkt aktuell:
Nun ist es also doch passiert. Aus Sorglosigkeit wurde innerhalb kĂŒrzester Zeit Panik. Mit der Ankunft des neuen Corona-Virusâ in Italien und dem Auftreten weiterer FĂ€lle auĂerhalb Chinas verlieĂ die Investoren der Mut. Die AktienmĂ€rkte verzeichneten crashartige AbschlĂ€ge. So brach der Deutsche Aktienindex DAX von seinem erreichten Hoch zwischenzeitlich um mehr als 15 Prozent ein. Selbst im vermeintlich bislang weniger betroffenen Amerika mussten die Investoren Verluste in Ă€hnlicher GröĂenordnung verkraften. Damit wurde ein AusmaĂ erreicht, das historisch selten wie beispielsweise bei den TerroranschlĂ€gen des 11. September zu verzeichnen gewesen war. Doch sind die Auswirkungen der aktuellen âgrippeĂ€hnlichenâ Pandemie wirklich mit denen historischer Ereignisse wie der Subprime-Krise oder dem Zwillingsturmanschlag vergleichbar? Die Angst der Investoren und ihre aktuelle Reaktion lĂ€sst sich besser verstehen, wenn wir uns die wirtschaftliche Entwicklung des letzten Jahres genauer anschauen: Von vielen weitestgehend unbemerkt befanden wir uns bereits seit gut einem Jahr in der EU in einer Industrierezession mit schwachen AuftragseingĂ€ngen im verarbeitenden Gewerbe und damit schwacher Industrieproduktion. Kompensiert wurde diese WachstumsschwĂ€che vom Dienstleistungssektor und insbesondere dem privaten Konsum. Die Konsumenten in Europa und den USA zeigten sich ĂŒberaus ausgabefreudig. Schon das Wegfallen chinesischer Touristen, die beispielsweise fĂŒr ca. 1/3 der LuxusgĂŒterumsĂ€tze in Italien stehen, hatte zu Jahresbeginn einigen Investoren erste Sorgenfalten auf die Stirn getrieben. Mit den deutlichen Reaktionen Italiens auf die Ausbreitung des Coronavirusâ wurde fĂŒr die Akteure am Markt dann aber die vorrĂŒbergehende SchlieĂung von einzelnen Unternehmen und die Unterbrechung von wichtigen Lieferketten zu einer realen Bedrohung. Der Markt preist also mitnichten die âMortalitĂ€tâ des neuen Virus ein, sondern vielmehr die wirtschaftlichen Folgen, die die möglichen GegenmaĂnahmen einzelner LĂ€nder und Unternehmen haben könnten.
Volkswirtschaft und Unternehmensergebnisse werden sich bis ins zweite Quartal deutlich verschnupft zeigen
Die OECD reagierte als eine der ersten groĂen Organisationen mit der RĂŒcknahme ihrer WachstumsschĂ€tzungen fĂŒr das Jahr 2020. Die US-Notenbank Fed sah sich genötigt, mit einer auĂerplanmĂ€Ăigen Zinssenkung um 0,5 Prozent auf die Gefahren der Corona-Epidemie fĂŒr die globale Wirtschaft zu reagieren, obwohl sich die amerikanische Wirtschaft noch kerngesund zeigt. Eine Ă€hnliche Handlungsweise hatte sie zuletzt in der Finanzkrise gezeigt, was die MĂ€rkte offensichtlich eher zusĂ€tzlich verunsicherte, denn die US-AktienmĂ€rkte reagierten nach anfĂ€nglichen Zugewinnen mit erneut deutlichen AbschlĂ€gen auf die Fed-MaĂnahme. In unseren Augen werden wir zumindest im ersten Quartal zunĂ€chst deutlich schlechtere Wirtschaftszahlen sehen, und viele Unternehmen werden sich aufgrund ihrer Ad-hoc-PublizitĂ€tspflichten genötigt sehen, Gewinnwarnungen auszusprechen. Das dĂŒrfte die Schwankungen an den MĂ€rkten hochhalten, zumal die Corona-Epidemie in den Industriestaaten noch ganz am Anfang steht, wĂ€hrend die in China bereits ihren Höhepunkt ĂŒberschritten haben könnte. Im Gegensatz zu den AktienmĂ€rkten zeigten die RentenmĂ€rkte neue Kurs-Rekorde. So erreichte die Rendite 10-jĂ€hriger US-Staatsanleihen einen neuen historischen Tiefpunkt. US-Ăkonom und NobelpreistrĂ€ger Robert Schiller analysierte in diesem Zusammenhang gar, dass die Rendite damit den tiefsten Stand seit 150 Jahren erreicht hat und kein Ereignis in dieser langen Zeit bislang ausgereicht hatte, die US Zehnjahresrendite unter ein Prozent zu treiben. Mithin verzeichneten wir auch bei den deutschen Staatsanleihen RenditerĂŒckgĂ€nge in Richtung des bisherigen Allzeittiefs. Unternehmensanleihen reagierten hingegen mit einer deutlichen Ausweitung der RisikoprĂ€mien, die den Renditeaufschlag gegenĂŒber Staatsanleihen beschreiben.
Notenbanken wollen die Pandemie der MĂ€rkte stoppen
Neben der Fed deutet sich eine mögliche Allianz verschiedener KrĂ€fte zur StĂŒtzung der Weltwirtschaft an. So Ă€uĂerten sowohl die PrĂ€sidentin der europĂ€ische Zentralbank EZB ihre Bereitschaft zu einer weiteren geldpolitischen Lockerung, als auch die G7 Finanzminister zu fiskalpolitischen MaĂnahmen. Mithin wĂ€re es in unseren Augen fĂŒr Investoren falsch, sich aus Furcht nun vollstĂ€ndig aus den MĂ€rkten zu verabschieden. Vielmehr dĂŒrften die vor uns liegenden Schwankungen auch immer wieder Kaufgelegenheiten hervorbringen. Ein Ăberwinden der Corona-Epidemie könnte zu einer deutlichen Erholung der MĂ€rkte fĂŒhren. Aufgrund der noch schwer abschĂ€tzbaren Lieferkettenprobleme ist es jedoch wahrscheinlich, dass sich diese Entwicklung bis deutlich ins zweite Quartal hinzieht.
