National-Bank: Die Sorge über die künftige Geldpolitik der EZB wird bleiben
Die Spekulationen oder besser wohl Sorgen, die EZB könne bald mit der Reduzierung des Anleiheankaufvolumens beginnen, lasteten gestern erneut auf den europäischen Rentenmärkten, so dass die Renditen weiter anzogen. Die Reaktionen der Marktteilnehmer führen einmal mehr vor Augen, wie abhängig die Kapitalmärkte vom geldpolitischen Stimulus sind. Zudem macht die Entwicklung der vergangenen beiden Tage deutlich, wie sehr die EZB durch ihre Anleihekäufe dafür verantwortlich ist, dass die Renditen von Staatsanleihen, aber nicht nur die, so gering sind. Ohne das Eingreifen der EZB in die Rentenmärkte wäre es wohl kaum denkbar, dass Italien am Dienstag die erste 50jährige Anleihe bei deutlicher Überzeichnung hätte platzieren können. Da haben es Frankreich und Spanien heute leider schlechter getroffen. Beide Länder werden bei der Emission der Staatspapiere heute erheblich tiefer in die Taschen greifen müssen, mehr Rendite bieten müssen, als noch vor zwei Tagen.
Bei allen Überlegungen zum Tapering sollte nicht übersehen werden, dass fast alle Euroländer immer noch (hohe) Haushaltsdefizite zu finanzieren haben und in Anbetracht des schwachen Wachstums in ebenfalls vielen Euroländern wird der am BIP gemessene Schuldenberg kaum kleiner. Dementsprechend sind die meisten Euroländer darauf angewiesen, dass die Kapitalmarktrenditen vergleichsweise niedrig bleiben. Ebenso wie die Finanzwirtschaft können die meisten Euroländer einen „echten“ Zinsschock dauerhaft gar nicht verkraften. Die EZB lässt sich mit der Verlängerung des QE-Programms zu Recht Zeit. Handlungsbedarf hat sie „eigentlich“ vor Dezember nicht, zumal genau durchdacht werden muss, wie die künftigen Ankaufvolumina überhaupt erreicht werden können, ohne dass sich die EZB rechtlich angreifbar macht. Außerdem dürfte es für den einen oder anderen europäischen Politiker vielleicht gar nicht so schlecht sein, eine Lehrstunde in Sachen Investorenreaktionen zu erhalten. Es gibt bekanntlich nicht wenige Politiker, die auch öffentlich postuliert haben, die niedrigen Renditen seien Ergebnis der heimischen Wirtschaftspolitik. Insofern könnte die Marktreaktion auf die Sorgen vor einer Reduzierung des QE-Programms durchaus für neue Erkenntnisse in der Politik sorgen. Die EZB scheint ja mit der Aufforderung, endlich weitere Strukturreformen durchzuführen, nicht bis zur Politik durchzudringen.
Am gestrigen Nachmittag dürfte die US-Leitzinsspekulation neue Nahrung erhalten haben: Der ISM für das Dienstleistungsgewerbe machte einen Sprung nach oben. Auf die US-Binnenwirtschaft scheint im Vergleich zum verarbeitenden Gewerbe also Verlass zu sein. Die übrigen Daten lagen weitestgehend im Rahmen der Schätzungen. Heute Morgen wird zuerst auf die Industrieaufträge für die deutsche Industrie zu achten sein. Im weiteren Tagesverlauf wird das Protokoll der letzten Tagung des EZB-Rats nach Informationen zur Zukunft des QE-Programms untersucht werden. Finden dazu wird sich jedoch nichts, denn die Aussagen des EZB-Chefs auf der Pressekonferenz waren eindeutig.
Grundsätzlich wird die Unsicherheit an den Rentenmärkten erst einmal anhalten. Dazu kommt noch die Zurückhaltung der Investoren vor dem US-Arbeitsmarktbericht, der morgen die Leitzinsdiskussion beleben dürfte. Dennoch dürfte der Bund Future nach den erneuten Verlusten am gestrigen Handelstag zumindest behauptet in den Tag starten. Im weiteren Tagesverlauf dürfte er zwischen 163,70 und 165,10 notieren. Die Rendite der 10jährigen US-Treasuries dürfte sich zwischen 1,63 und 1,75% bewegen.