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Wirecard am Tag des zweiten Schocks - Zweifel bleiben

15.10.2019 15:21 Uhr - Autor: Michael Barck  auf twitter

Hat Wirecard Umsätze ausgewiesen, die gar nicht stattgefunden haben? Die „Financial Times” will hierfür Belege gefunden haben. Wirecards Aktienkurs stürzt in der Folge ab. Bild und Copyright: Wirecard.

Die Veröffentlichung des neuen Berichts der Financial Times zu Wirecard war gut getimt. Rund 5 Minuten vor XETRA-Handelsstart ging der Beitrag mit neuen Vorwürfen um angebliche Manipulationen bei Wirecard auf der Internetseite der Financial Times online. 5 Minuten - genug Zeit, dass die News an der Börse zu Handelsbeginn definitiv Berücksichtigung findet. Zu wenig Zeit, dass das Unternehmen noch vor dem Start des Marktes mit dem zu erwartenden Dementi reagieren konnte. Wirecard war es unmöglich, dem ebenfalls zu erwartenden Kurssturz so direkt Wind aus den Segeln zu nehmen. Das gelang erst im Verlauf des Vormittags mit einem scharfen Dement seitens der Gesellschaft. Da war die Wirecard Aktie zwischenzeitlich schon von 140 Euro am Vortag auf 107,80 Euro eingebrochen und das Unternehmen - mal wieder - Gespräch des Tages an der Börse. Mittlerweile hat sich Wirecards Aktienkurs übrigens erholt und notiert wieder bei 121,40 Euro.

Diesmal waren es nicht die Fehlbuchungen aus der Asien-Affäre, die im Fokus der Berichterstattung in der Financial Times standen und die Wirecard Aktie im ersten Quartal von 170 Euro auf 86 Euro abstürzen ließen. Ganz so schlimm kam es diesmal nicht, trotz der neuen Betrugsvorwürfe der Londoner Wirtschaftszeitung gegen den Payment-Dienstleister aus Aschheim bei München. Im Fokus stehen diesmal vor allem Aktivitäten der Al Alam Solutions aus Dubai. Die Aktivitäten von Wirecard in der Region sind nicht das erste Mal Gegenstand kritischer Berichterstattung. Wieder sollen es Whistleblower gewesen sein, die der „FT” belastende Dokumente zugespielt haben. Den Bericht dazu hat die Zeitung heute veröffentlicht. Auch bei der Asien-Affäre hatten Whistleblower der Zeitung Unterlagen zugespielt. Was sich zunächst wie ein Riesen-Skandal las, endete mit geringen Wertkorrekturen in Wirecards Bilanz und gegenseitigen Vorwürfen der beiden Kontrahenten, zweifelhafte Absichten zu verfolgen.

Für Wirecards Aktienkurs wird entscheidend sein, wie viel diesmal von den Betrugsvorwürfen hängen bleibt. Vorwurf diesmal: Überhöht ausgewiesene Umsätze bzw. Umsätze, die nie stattgefunden haben sollen. Im Fokus: Al Alam Solutions, für hohe Gewinnbeiträge im Wircard-Konzern verantwortlich. Einige der wichtigsten Kunden Wirecards aus Europa und den USA, dem Nahen Osten, Russland und Japan sollen über diese Gesellschaft Zahlungen in großen Summen abgewickelt haben. Den Angaben der Financial Times zufolge haben viele angebliche Kunden der Al Alam Solutions aber noch nie von dieser gehört. „Weder Visa noch Mastercard haben Aufzeichnungen über eine Beziehung zu Al Alam”, schreibt die britische Zeitung nun. 15 der 34 Kunden sollen angegeben haben, nie etwas von Al Alam gehört zu haben und ganze vier, dass sie zu dieser Zeit überhaupt Wirecard für Zahlungsabwicklungen genutzt haben. Andere Gesellschaften hätten nicht geantwortet, seien nicht auffindbar oder kontaktierbar gewesen, acht sollen sogar zu dem Zeitpunkt, in dem die Zahlungen bei Wirecard durch die Bücher des Konzerns gingen, schon komplett geschlossen gewesen sein. Als Beispiel nennt man die irische Cymix Prepaid, die schon 2012 laut dem irischen Unternehmensregister liquidiert wurde, aber noch 2017 in den Büchern mit Zahlungen aufgetaucht sei.

Es gebe also starke Hinweise, so die Financial Times, das ein Großteil der Zahlungsabwicklung für diese Kunden nicht stattgefunden habe. Darüber hinaus soll Wirecard versucht haben, den eigenen Wirtschaftsprüfer, EY (Ernst & Young), zu täuschen. Dieser hat Kommentare zu dem Sachverhalt mit den Hinweis auf die Verschwiegenheitspflichten abgelehnt.

Am späten Vormittag reagiert der beschuldigte Konzern dann harsch: „Wirecard weist diese Vorwürfe der Unangemessenheit kategorisch zurück. Der heutige Artikel der Financial Times ist eine Zusammenstellung einer Reihe von falschen und irreführenden Behauptungen, die Dan McCrum zuvor in einer Reihe von diffamierenden Artikeln aufgestellt hatte und die bereits zuvor vollständig widerlegt wurden”, heißt es von Seiten des Fintech-Konzerns am späten Dienstagvormittag. Zudem erhebt Wirecard selber Vorwürfe in Richtung der britischen Wirtschaftszeitung: „Es ist bedauerlich, dass die Financial Times sich weiterhin dafür entscheidet, einen so unverantwortlichen Artikel zu veröffentlichen, insbesondere unter Umständen, in denen wir der FT über ihre Anwälte den Anscheinsbeweis einer Absprache mit Leerverkäufern vorgelegt haben, der Zweifel an ihrer Motivation bei der Veröffentlichung ihrer Artikel aufkommen lässt.”

Zweifel bleiben, dass dies die letzte Runde in dem Duell zwischen der Financial Times und Wirecard war. Wie der Konzern über das heutige Dementi hinaus auf die neuen Betrugsvorwürfe reagiert, ist derzeit unklar. Das gilt auch für mögliche weitere Berichte seitens der Zeitung. Es ist der Tag, an dem die Aktie mit dem zweiten News-Schock 2019 erneut zu einem Zockerpapier geworden ist.

Hinweis: Die Financial Times hat die Dokumente, auf die man sich stützt, im Internet als ZIP-File zum Download bereit gestellt: hier klicken. Zudem ist im FT-Blog Alphaville ein begleitender Bericht zu dem neuen Wirecard-Enthüllungsartikel online gegangen, der die Dokumente und Recherche näher thematisiert: hier klicken.

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