Wirecard Aktie - ein Irrsinn: 400 Millionen Euro Börsenwert - wofür eigentlich? - Kommentar
An der Börse gibt es viele hoch attraktive Titel, trotzdem scheinen wilde Zockereien wie die mit der Wirecard Aktie und anderen Insolvenztiteln für viele Anleger hierzulande immer noch die attraktivere Wahl zu sein. Gestern war es wieder einmal soweit. Der erfahrene Insolvenzanwalt Michael Jaffé ließ verlautbaren, dass es eine große Zahl an Interessenten für Teile des Skandalkonzern gebe, bei dessen Bilanz aktuell niemand weiß, wie werthaltig die einzelnen Konzerntöchter und anderen Assets überhaupt noch sind. Interessenten, über 100 sollen es sein, dürfen jetzt in die Bücher schauen, um das einigermaßen abschätzen zu können. Das dürfte angesichts der vielen Bilanzmauscheleien bei Wirecard aus den Jahren zuvor, verschwundenen 1,9 Milliarden Euro, eines künstlich aufgeblähten Drittpartnergeschäfts und vieler anderer zweifelhafter Positionen eine interessante Nummer werden.
Viele derjenigen, die nun Interesse angemeldet haben, werden sich kaum zu einem Übernahmeangebot für Teile des Konzerns durchringen. Doch Jaffé hatte mit den Äußerungen - ob unbeabsichtigt oder beabsichtigt - gestern die Basis für die nächste wilde Insolvenz-Spekulation mit der Wirecard Aktie gelegt. Diese kletterte binnen rund einer Stunde an der Frankfurter Börse von 2,18 Euro auf knapp 3,45 Euro und ging mit 3,1485 Euro und fast 23 Prozent Tagesplus aus dem XETRA-Handel. Aktuelle Indikationen am Mittwochmorgen notieren bei 3,36/3,43 Euro und damit wieder nahe des gestrigen Tageshochs.
Dabei haben Jaffés Aussagen an der Situation Wirecards nichts geändert. Das Interesse dürfte sich vor allem auf die wenigen operativ starken Einheiten konzentrieren. Diese können aber, egal wie viele potenzielle Käufer es gibt, die sich von Wirecards Bilanzmanipulationen am Ende doch nicht abschrecken lassen, auch nur ein einziges Mal verkauft werden. Das Nordamerika-Geschäft ist so ein Fall, die Wirecard Bank auch, für die derzeit fast schon mantraartig aus der Insolvenzverwaltung der Konzernmutter betont wird, dass sie nicht insolvent ist - bisher, muss man da vielleicht sagen. Aktuelle Finanzzahlen zur Wirecard Bank fehlen, wie viel Liquidität hier durch den Abzug von Kundeneinlagen abfließt und wie viele Kunden dem Unternehmen schon den Rücken gekehrt haben, weiß an der Börse derzeit niemand.
Dass Aktionäre in der aktuellen Lage die Letzten sind, die von Interesse sind, liegt in der Natur von Insolvenzverfahren. Das machte auch eine Bemerkung Jaffés in der gestrigen Pressemitteilung deutlich: „Das Ziel ist dabei, zeitnahe Investorenlösungen im Interesse der Gläubiger, Arbeitnehmer und Kunden zu finden”, hieß es in Zusammenhang mit den gestarteten Verkaufsprozessen. Die Erlöse hieraus werden in die Tilgung von Schulden fließen - gegenüber dem Staat, dem Bankkonsortium und anderen Gläubigern. Dass in dieser Situation, mit einem Bilanzskandal historischen Ausmaßes für die deutsche Börse als schweren Rucksack, Wirecard so viele Assets so teuer verkaufen kann, dass am Ende noch ein Börsenwert von aktuell über 400 Millionen Euro bedient werden kann - das kann selbst der kühnste Wirecard-Fan kaum ernsthaft glauben, geschweige denn belegen.
Der Irrsinn wird trotzdem weiter gehen, mit der Wirecard Aktie wird weiter gezockt werden, so viel steht fest. Mit der Wirecard Aktie wird am Ende auch noch einmal viel Geld verloren werden, das ist auch sicher. Wer das Risiko eingehen will, soll am Ende nicht jammern, er hätte nicht gewusst worauf er sich da in der Gier nach schnellen Gewinnen einlässt.