DAX: Scheitern der Jamaika-Sondierungen als weiterer Belastungsfaktor - Nord LB Kolumne
Nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen in Berlin müssen sich die Finanzmärkte zunächst an die nun aufkommenden erhöhten politischen Unsicherheiten gewöhnen. Damit rückt beim DAX die psychologisch wichtige Marke von 13.000 Punkten zumindest zum Handelsstart noch etwas stärker aus dem Fokus. Die bisherige Marktreaktion blieb bisher aber eher moderat, die Kurse haben sich zuletzt sogar zügig erholt.
An den Börsen war zwar in der Tat mit schwierigen Verhandlungen zwischen CDU, CSU, FDP und den Grünen gerechnet worden, ein Ende der Sondierung hatten die Marktteilnehmer aber im Grunde nicht für ein sonderlich realistisches Szenario gehalten. Zwar waren vor allem große inhaltliche Divergenzen zwischen CSU und Grünen gesehen worden, der Aktienmarkt hatte aber auf eine Verständigung gesetzt. Gerade mit einem Ausscheiden der FDP aus den Verhandlungen war sicherlich nicht gerechnet worden.
Aktuelle Äußerungen des stellvertretenden SPD-Parteivorsitzenden Ralf Stegner zeigen, dass die Sozialdemokraten trotz des Scheiterns der Jamaika-Sondierungen nicht für eine große Koalition zur Verfügung zu stehen scheinen. Stegner betonte in einem Presseinterview, dass es kein Wählervotum für die Fortsetzung einer großen Koalition geben würde.
Damit bleiben der Bundeskanzlerin Angela Merkel eigentlich nur zwei Optionen: Bildung einer Minderheitsregierung oder Neuwahlen. Beide Möglichkeiten dürften in Berlin turbulente Gespräche zur Folge haben. Vor allem auf Bundesebene gelten Minderheitsregierungen – wegen des angenommenen Mangels an Stabilität – als eher unliebsame Alternative zu klar geregelten Verhältnissen. Angela Merkel hatte nach dem Ende der Verhandlungen zudem betont, sie wolle zu einer stabilen Regierung kommen. Eine weitere Möglichkeit sind nun Neuwahlen, wobei hier die vom Grundgesetz vorgegebenen hohen Hürden zu beachten wären. An dieser Stelle würde der Bundespräsident eine wichtige Rolle haben. In einer Rede vor dem Scheitern der Jamaika-Gespräche hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Hürde für diese Option verbal allerdings sehr hoch gelegt. Noch heute wollen die Bundeskanzlerin und der Bundespräsident über die Lage sprechen.
Im Rahmen der Rekordjagd waren durchaus bestehende Risiken von den Börsen immer stärker ignoriert worden. Zuletzt hatten die internationalen Aktienmärkte allerdings schon begonnen, erhöhte geopolitische Risiken wieder in die Kurse der Dividendenpapiere einzupreisen. Das Scheitern der Jamaika-Sondierungen war in diesem Kontext aber wohl doch eher als „Tail-Risk“ angesehen worden. Entsprechend hat die Nachricht über das Ausscheiden der FDP aus den Gesprächen heute zum Handelsstart zu gewissen Belastungen für den DAX geführt. Wir halten diese Reaktion für keinesfalls übertrieben. Die Marktteilnehmer werden die politischen Entwicklungen in Berlin nun genau im Auge behalten müssen. Je nach Nachrichtenlage ist ein weiterer – und vielleicht sogar deutlicherer – Druck auf die Kurse sicherlich denkbar.
Fazit: Die Aktienmärkte hatten Risiken zuletzt weitgehend ignoriert und vielleicht zu stark auf eine positive Entwicklung der Weltwirtschaft gesetzt. In den vergangenen Tagen war allerdings schon erkennbar, dass bei den Anlegern eine höhere Risikoaversion aufzukommen schien. Nun müssen die Markteilnehmer sich noch intensiver mit politischen Risiken in Berlin beschäftigen. In diesem Umfeld fühlen wir uns mit einer eher pessimistischen DAX-Prognose sehr wohl und sehen den deutschen Leitindex in drei Monaten weiterhin bei lediglich 12.400 Punkten.