Nord LB – China BIP: Schwächer als erwartet, aber keine Enttäuschung
Heute früh wurden in Peking Zahlen zur Entwicklung der Wirtschaftsleistung in der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft vorgelegt. So meldeten die nationalen Statistikbehörden für die wohl noch immer am stärksten im Fokus der Marktteilnehmer stehende BIP-Wachstumsrate gegenüber dem Vorjahr einen Wert von 6,8% Y/Y (unsere Prognose: 7,1% Y/Y; Bloomberg: 6,9% Y/Y). Damit blieben zwar böse Überraschungen aus. Gleichwohl hätten wir einen etwas dynamischeren Expansionsprozess im Reich der Mitte erwartet. Diese Wachstumsverlangsamung in den letzten drei Monaten des Jahres kommt auch durch die Angaben zur Entwicklung gegenüber dem Vorquartal zum Ausdruck: Mit 1,6% Q/Q (bzw. 6,6% annualisiert) ist weiterhin von einer weichen Landung zu sprechen.
An den Finanzmärkten außerhalb Chinas dürften die heutigen Zahlen – trotz etwas schwächerer Angaben – durchaus das Potenzial haben, zu einer gewissen Beruhigung beizutragen. Dies wäre nach unserer Auffassung nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass bei einem BIP-Wachstum von 6,9% im Gesamtjahr 2015 kaum von einer Enttäuschung zu sprechen ist, obwohl wir mit 7,0% gerechnet hatten.
Bei der Betrachtung des Expansionstempos auf Sektorenebene offenbart sich auch im III. Quartal die Zweigleisigkeit der aktuellen konjunkturellen Dynamik. Die Wertschöpfung im sekundären Sektor legte im IV. Quartal 2015 um 6,1% Y/Y zu (nach 5,9% Y/Y im Vorquartal). Im tertiären Sektor kam es zu einem Rückgang auf 8,2% Y/Y (Vorquartal: 8,6% Y/Y). Insgesamt blieb der Dienstleistungssektor aber auch in den Monaten Oktober bis Dezember die konjunkturelle Antriebsfeder im Reich der Mitte.
Auch die ebenfalls heute früh vorgelegten Zahlen zur Binnendynamik im Berichtsmonat Dezember präsentierten sich schwächer also von uns erwartet. Von einer grundsätzlich schlechten Verfassung der chinesischen Volkswirtschaft würden wir aber angesichts einer Expansion der Einzelhandelsumsätze um 11,1% Y/Y und einem Zuwachs der Industrieproduktion um 5,9% Y/Y nicht sprechen wollen. Gleichwohl bleiben die Herausforderungen für Peking bestehen. Neben den Turbulenzen an den Finanzmärkten – der Offshore-RMB geriet heute wieder unter spürbaren Abwertungsdruck – stehen für die Zentralregierung im neuen Jahr umfangreiche Aufgaben auf dem Plan. Nicht zuletzt die Überkapazitäten und die Entwicklung der Unternehmensverschuldung (insbesondere über den Bond Markt) rufen nach einschneidenden Maßnahmen.
Insgesamt bleiben wir aber auch für 2016 verhalten optimistisch und führen das nicht zuletzt auf die zunehmende Bedeutung des Binnenmarktes und die langfristigen Wachstumstreiber zurück. Auch eine konjunkturelle Erholung bei wichtigen Handelspartnern könnte Schützenhilfe geben – wenngleich wir nicht allzu schnell mit überaus spürbaren Wachstumsbeiträgen aus Richtung der Nettoexporte rechnen (im IV. Quartal 2015 waren die Nettoexporte eher ein Hemmschuh für den gesamtwirtschaftlichen Expansionsprozess). Unsere BIP-Wachstumsprognose von 6,8% für das Gesamtjahr belassen wir unverändert bei 6,8%.
Fazit: Das BIP-Wachstum im Reich der Mitte präsentierte sich im IV. Quartal 2015 etwas schwächer als erwartet – böse Überraschungen oder gar die gefürchtete harte Landung blieben aus. Der Dienstleistungssektor ist weiterhin bedeutender Motor der konjunkturellen Dynamik. Insofern tun es die realwirtschaftlichen Indikatoren den Finanzmarktzeitreihen nicht gleich und zeigen keine Verspannungen an. Das ist grundsätzlich zu begrüßen – zum Zurücklehnen in Peking darf es aber keinesfalls animieren.