No-Deal-Brexit = Negativzinsen in 2021? - Nord LB Kolumne
Nachdem in den vergangenen Stunden bereits Details zu den jüngsten Sitzungen der Fed sowie der Bank of Japan veröffentlicht wurden, zog heute Mittag die Bank of England nach. Die hohe Bedeutung der Angaben des Monetary Policy Committee (MPC) war weniger durch mögliche Anpassungen an den geldpolitischen Steuerungsgrößen, sondern durch die Bewertung des durch mehrfache Unsicherheitsfaktoren geprägten Umfelds vorgezeichnet. Entsprechend überraschen die Beibehaltung der Bank Rate auf dem aktuellen Niveau (0,10%) sowie die unveränderte Zielgröße für Wertpapierankäufe (GBP 745 Mrd.) keineswegs. Etwas unerwartet mag für einige Marktbeobachter die Einstimmigkeit der Beschlüsse sein.
Mit der Entscheidung sind geldpolitische Lockerungen gleichwohl alles andere als vom Tisch. Die wenigen Marktbeobachter, die diese Auffassung noch geteilt haben mögen, dürften spätestens jetzt ihre Sicht der Dinge anpassen müssen. So bereiten die jüngsten Meldungen mindestens das Feld für eine Aufstockung der Zielgröße für Wertpapierankäufe im Zuge der November-Sitzung.
Auch der Rückgriff auf weitere Zinssenkungen ist wahrscheinlicher geworden. Hervorzuheben sind zudem sich scheinbar abschwächende Vorbehalte gegen Negativzinsen auf Seiten der Notenbanker. Darauf deutet zumindest die entsprechende Passage in den Minutes hin, die für das IV. Quartal 2020 einen Dialog zwischen Notenbank und den regulatorisch verantwortlichen Instanzen, welcher die operative Handhabe von Negativzinsen zum Inhalt haben soll, in Aussicht stellt,
Das ökonomische Umfeld, mit dem sich die Notenbanker auch im Rahmen ihrer zukünftigen Entscheidungen auseinandersetzen werden müssen, war zuletzt bereits durch ein Nachlassen der Erholungsdynamik gekennzeichnet. Dabei gilt es insbesondere mit Blick auf den Arbeitsmarkt zu berücksichtigen, dass das Forlough-Scheme, welches eine Beurlaubung von Arbeitnehmern bei gleichzeitiger finanzieller Kompensation ermöglicht, Ende Oktober 2020 ausläuft. Im Gegensatz zu einer Vielzahl anderer Regierungen hält London bisher am Ende der Maßnahme fest und setzt gewissermaßen auf die Selbstheilungskräfte des Marktes bzw. stellt auf die Notwendigkeit der Anpassung der Ökonomie an die neuen Rahmenbedingen ab. Kehrseite dieser Gangart wäre ein deutlicher Anstieg der Arbeitslosigkeit, den auch die BoE-Entscheidungsträger in ihrer Vorausschau entsprechend zu berücksichtigen haben.
Schwer prognostizierbar bleibt zudem das politische und ökonomische Zusammenspiel mit der wichtigsten Handelsregion. Die letzten Tage im Brexit-Poker haben das Pendel in Richtung einer „No-Deal“-Lösung ausschlagen lassen. Dies liegt nicht nur – aber auch – daran, dass die Zeit nunmehr dramatisch knapp wird. Die damit verbundene Eintrübung des ökonomischen Ausblicks erhöht bereits heute die Wahrscheinlichkeit für Leitzinssenkungen im Jahr 2021 – und erklärt damit auch das angekündigte Ausloten von Negativzinsen im Vereinigten Königreich.
Fazit: Die Bank of England hat keine Änderungen an Bank Rate oder QE-Zielgröße vorgenommen, gleichzeitig aber das Feld für eine weitere Aufstockung der Wertpapierankäufe bereitet. Nicht zu unterschätzen ist der Hinweis der Notenbanker auf einen Dialog mit den Regulatoren des Landes, der operative Fragestellungen bezüglich Negativzinsen zum Thema haben soll. Einige Marktbeobachter könnten diese Maßnahme durchaus als Vorbereitung von Negativzinsen werten, die in 2021 eine erste prominent sichtbare Folge eines Hard Brexit sein könnten.