Euro in USD: Die Marke von 1,20 USD (kurzzeitig) übersprungen! - Nord LB Kolumne

Heute gegen 15:20 Uhr war es nach mehrmaligen versuchten Anläufen am Vormittag dann tatsächlich endlich soweit: Der Euro übersprang (kurzzeitig) die Marke von 1,20 USD – erstmals wieder seit Mai 2018. Seit dem Jahrestief vom 23. März 2020 legte er immerhin eine Performance von knapp 13% hin. Letztlich wird die Gemeinschaftswährung vom Main aktuell im Grunde fast genau auf dem Mittelwert seit der Einführung in 1999 gehandelt.
Rückenwind erhielt der Euro bereits in den letzten Tagen von halbwegs soliden Wirtschaftsdaten aus Deutschland – wie dem ifo-Geschäftsklimaindex, der Industrieproduktion oder den Arbeitsmarktdaten – welche beispielsweise auch die Bundesregierung am Vormittag dazu geleitet hat, die Wachstumsprognosen für 2020 von -6,3% auf -5,8% etwas nach oben zu nehmen. Zudem haben bereits seit Juni niedrigere Infektionszahlen als in den USA sowie vor allem die Einigung der Europäischen Union auf ein massives gemeinsames Hilfspaket für die unter dem Coronavirus leidende europäische Wirtschaft für einen tendenziellen Auftrieb des Euro gesorgt.
Die Aufwertung des Euro ist aber auch als eine Abwertung des US-Dollar zu interpretieren, der zuletzt gegenüber den meisten anderen größeren Währungen unter Druck geraten ist. So fiel er beispielsweise heute auch unter 106 japanischen Yen, unter 0,75 britischen Pfund und unter 6,85 chinesischen Yuan. Als ansonsten eigentlich „sicherer Hafen“ konnte der US-Dollar nur in der Anfangsphase der Coronakrise profitieren. Dann begannen die Sorgen um die US-Ökonomie zu überwiegen, wenngleich die konjunkturelle Erholung sicherlich stärker ausfiel als noch im April erhofft. Doch der nicht überzeugende Umgang der US-Regierung mit der Ausbreitung des Coronavirus und der rasante zweite Anstieg der Infektionszahlen mögen belastet haben.
Entscheidend dürfte auch die sehr expansiv ausgerichtete Geldpolitik der Federal Reserve sein: Mit dem in Jackson Hole angekündigten angepassten „flexiblen durchschnittlichen Inflationsziels“ hat sich die US-Notenbank alle Freiräume genommen, die Leizinsen auch über Jahre niedrig zu halten. Fraglich ist allerdings, ob einerseits für die Zinsen am langen Ende der Kurve damit jeder Anstieg gestoppt ist, oder ob andererseits perspektivisch erstens die Investoren für dieses (Inflations-)Risiko eine höhere (Zins-)Prämie verlangen und zweitens das Potential für die zukünftige Konjunkturdynamik ansteigt. Aktuell spricht die Geldpolitik aber erstmal gegen den US-Dollar.
Als eine der Folgen muss angemerkt werden, dass die ohnehin unter Druck geratene europäische Exportwirtschaft durch den starken Euro zunehmend in Schwierigkeiten gerät: Entweder muss sie eine Margenreduktion hinnehmen oder es gehen Exportanteile an Produzenten anderer Währungsräume verloren. Gleichzeitig sinken aber die Importrechnungen, was neben den Produzenten auch die arg gebeutelten Konsumenten erfreuen wird, da beispielsweise der Benzinpreis tendenziell niedrig bleibt. Das könnte also auch der europäischen Binnenwirtschaft zu Gute kommen.
Andererseits wird sich der während der Coronavirus in Schwierigkeiten geratene US-Präsident angesichts der Dollarschwäche tendenziell über eine Unterstützung für die US-Exportwirtschaft ein wenig freuen können. Allerdings hat die US-Exportindustrie keinen ganz so großen Anteil an der dortigen Wirtschaftsleistung. Höhere Importrechnungen werden die USA dagegen wohl verkraften können – erstens wird beispielsweise Öl in US-Dollar abgerechnet (und kommt vor allem aus dem eigenen Land) und zweitens wird die Fed aufgrund des angepassten „flexiblen durchschnittlichen Inflationsziels“ perspektivisch ohnehin über jegliches „Überschießen“ der Preise hinwegsehen.
Wir halten den Euro nun aber für eher überkauft. Nach schwächeren Augustzahlen dürfte die US-Konjunktur ab Herbst mit fallenden Infektionszahlen ohne Lockdowns wieder verstärkt überzeugen. Und Europa hat weder zum Virus noch zum Brexit und dem Nord-Südkonflikt Antworten.
Fazit: Der Euro hat heute die wichtige Marke von 1,20 USD übersprungen. Dabei profitiert er einerseits von leicht aufgehellten Konjunkturaussichten für Europa, andererseits von den Sorgen über die US-Konjunktur, die gestiegene Infektionszahlen verkraften muss. Auch das angepasste „flexible durchschnittliche Inflationsziel“ der Fed lastet auf dem US-Dollar. Wir halten den Euro nun aber für eher überkauft. Nach schwächeren Augustzahlen dürfte die US-Konjunktur ab dem Herbst mit fallenden Infektionszahlen wieder verstärkt überzeugen. Und Europa hat weder zum Virus noch zum Brexit oder dem Nord-Südkonflikt nachhaltige Antworten. Insofern rechnen wir auf Sicht 6-12 Monate wieder mit einem Euro bei 1,15 USD.