China BIP: Wachstumsverlangsamung nur eine Frage des Timings!? - Nord LB Kolumne
Heute früh haben die chinesischen Statistikbehörden aktuelle Zahlen zum BIP-Wachstum bekannt gegeben. Den offiziellen Angaben folgend ist die größte Ökonomie Asiens im IV. Quartal 2017 um 6,8% Y/Y gewachsen. Für das Gesamtjahr 2017 steht ein Anstieg der Wirtschaftsleistung um 6,9% zu Buche. Damit bestätigen sich die „Flüsterschätzungen“ von Premier Li Keqiang, der bereits vor einigen Tagen eine entsprechende Dynamik für sein Land „prophezeit“ hatte.
Auch wenn diese Wachstumsrate heute keine Überraschung mehr darstellt, ist sie vor allem mit Blick auf die langfristigen Implikationen bemerkenswert. So lag 2016 der BIP-Zuwachs noch bei 6,7%, wodurch sich auf Jahressicht die erste Wachstumsbeschleunigung seit 2010 ergibt. Dies steht durchaus im Widerspruch zum Umbau des chinesischen Wirtschaftsmodells, für das nach unserer Auffassung ein zurückhaltenderes Expansionstempo unerlässlich ist. Nachdem wir in den ersten Monaten des Jahres eher von einer kurzfristigen Belebung ausgegangen waren, stellt sich mittlerweile tatsächlich die Frage, ob die Projektionen zum „Soft Landing“ im Reich der Mitte nur eine Frage des Timings sind.
Tatsächlich sehen wir – wie zugegebenermaßen bereits vor zwölf Monaten – eine Wachstumsverlangsamung kurz bevorstehen und rechnen beim BIP in 2018 „nur noch“ mit einem Plus von 6,4%. Diese Einschätzung stützen wir unter anderem auf die Erwartung, dass sich die Dynamik im Außenhandel abschwächen sollte. Die heute ebenfalls vorgelegten Dezember-Zahlen zu den Einzelhandelsumsätzen sowie zur Industrieproduktion bestärken uns darin. Während sich die Industrieproduktion mit ordentlichen – aber eben auch nicht fulminanten – 6,2% Y/Y im Rahmen der Erwartungen bewegt, würden wir bei den Einzelhandelsumsätzen schon von einer negativen Überraschung sprechen wollen. Hier gilt es schließlich einen Rückgang der Zuwachsrate von 10,2% Y/Y auf 9,4% Y/Y zu verkraften. Die Bedeutung der Einzelhandelsumsätze kommt allein schon durch den hohen Anteil des Konsums (58,8%) am chinesischen BIP zum Ausdruck.
Mit Blick auf die langfristigen Entwicklungen ermutigend sind die Angaben aus Peking, nach denen die Energieintensität des Wachstums abgenommen hat. Von offizieller Seite wurde hier für 2017 ein Rückgang um 3,7% gemeldet. In Verbindung mit der härteren Gangart gegenüber den „alten Industrien“ ist dies durchaus bemerkenswert; vor dem Hintergrund der nach wie vor mehr als herausfordernden Lage in Bezug auf die Lebensbedingungen im Reich der Mitte ist eine Beschleunigung dieses Trends ohnehin „alternativlos“. Immerhin kann festgehalten werden, dass die bisherigen Maßnahmen die konjunkturelle Dynamik Chinas nicht abgewürgt haben. • Vor allem mit Blick auf die Frage nach der Finanzmarktstabilität im Reich der Mitte zählt die Verschuldungsthematik weiterhin zu den schwer kalkulierbaren Risikofaktoren. Vor allem die Entwicklung bei den Produzentenpreisen sowie das zweistellige nominale BIP-Wachstum haben dem Thema etwas den akuten Schrecken genommen. Tatsächlich könnte die zu erwartende Wachstumsverlangsamung die Debatte über Chinas „Great Wall of Debt“ allerdings vergleichsweise schnell neu entfachen.
Fazit: Die heute in Peking präsentierten Zahlen zum BIP-Wachstum zeigen für das Jahr 2017 die erste Beschleunigung des Expansionstempos seit 2010 an. Dies wiederum wirft die Frage auf, ob die Wachstumsverlangsamung im Reich der Mitte tatsächlich nur eine Frage des Timings ist. Wir denken schon und rechnen nunmehr für 2018 mit einer spürbaren konjunkturellen Abkühlung auf ein Wachstum von „nur noch“ 6,4%.