Cliq Digital: An dem Streaming-Dienst scheiden sich die Geister
Mit Cliq Digital hat heute ein Unternehmen Zahlen vorgelegt, das Börsianer in zwei Lager spaltet. Die einen hoffen auf eine Art „deutsche Netflix”, andere wiederum sehen die Zahlen und Wachstumsraten des Düsseldorfer Streaming-Anbieters mit Skepsis und kritisieren - unter anderem - auffällige Intransparenzen. Zuletzt hatte Cliq Digital mit der Verschiebung des Starts ihres neuen Multi-Content-Portals cliq.de enttäuscht - statt im September soll dieses nun Mitte Dezember an den Start gehen.
Auf den ersten Blick sind die Zahlen von Cliq Digital heute Wasser auf die Mühlen der Befürworter des Unternehmens. Der Quartalsumsatz wurde von 40 Millionen Euro auf 76,5 Millionen Euro gesteigert werden. Vor allem in Nordamerika wächst man stark - so die Angaben der Gesellschaft: In der Region wurde der Quartalsumsatz auf 44,4 Millionen Euro mehr als verdoppelt. Das EBITDA habe man von 7,4 Millionen Euro auf 12,4 Millionen Euro gesteigert und den Gewinn von 4,7 Millionen Euro auf 8,6 Millionen Euro. Der operative freie Cashflow sei von 4,7 Millionen Euro auf 8,3 Millionen Euro gestiegen, so Cliq Digital, die ihre Netto-Cash-Position der Gruppe auf 2,1 Millionen Euro beziffert.
Pareto lobt Zahlen und gibt Kaufempfehlung
Von den Analysten bei Pareto gibt es Lob für das Zahlenwerk und einen optimistischen Ausblick. „Das hohe Niveau der Marketingausgaben sollte eine anhaltend starke Entwicklung für den Rest des Jahres unterstützen”, heißt es in einem ersten Kommentar der Experten. Die Prognose für 2022 sehe auf Basis der Neunmonatszahlen komfortabel aus. Pareto empfiehlt die Aktien von Cliq Digital (WKN: A35JS4, ISIN: DE000A35JS40, Chart, News) zum Kauf mit einem Kursziel von 72 Euro. Am Donnerstagnachmittag notiert das Papier bei 22,90 Euro und gewinnt mehr als 4 Prozent gegenüber dem Vortag an Wert.
„Vor dem Hintergrund einer sich abschwächenden Konjunktur und der Tatsache, dass die Verbraucher überall den Gürtel enger schnallen, haben wir erneut ein Rekordquartal erzielt”, sagt Ben Bos, Vorstandsmitglied. „Mit einem Anstieg von Umsatz, Gewinn und Cashflow gehen wir mit Zuversicht in das vierte Quartal.” Die Zahl der Abonnenten will das Düsseldorfer Unternehmen von 1,8 Millionen per Ende September bis Jahresende auf 2 Millionen steigern. Der Umsatz soll 250 Millionen Euro erreichen bei einem EBITDA von 38 Millionen Euro. Die erwarteten Marketingausgaben beziffert die Gesellschaft mit 90 Millionen Euro.
In einer Investorenkonferenz zu den Quartalszahlen konnte Bos die seit langem bohrenden Fragen zum Wachstum der Düsseldorfer aber nicht zufriedenstellend beantworten. Eines der großen Rätsel rund um die Düsseldorfer ist, auf welchen Internetseiten man eigentlich Marketing für die eigenen Angebote betreibt. Hier schweigt das Unternehmen sich aus, verweist auf angeblich günstige Konditionen beim Einkauf von Medialeistungen und dass man der Konkurrenz hier keine Schützenhilfe bei der Suche nach günstigen Anzeigenplätzen leisten wolle. Beispiel Hörbücher: Während uns bei Recherchen im deutsch- und englischsprachigen Internet in Massen Werbeangebote unter anderem für Amazons Hörbuch-Bibliothek oder Audible auffielen, waren auch auf internationalen Seiten keinerlei Werbebanner oder andere Angebote zu finden, die auf Cliq Digitals Kinder-Hörbuchangebot Hörbie hinweisen.
Cliqs User-Zahlen werfen Fragen auf
Für Skepsis über die tatsächlichen Userzahlen der Düsseldorfer sorgen zudem unter anderem öffentlich zugängliche Daten zum Traffic im Internet, die nicht so recht mit den Userzahlen des Unternehmens zusammen passen wollen. So schätzt Similarweb zu September-Visits bei cliq.de auf nicht einmal 5.000. Könnte man hier noch argumentieren, dass das Portal sich zu dem Zeitpunkt noch in der Beta-Phase befand, zeigt sich bei näherem Hinsehen, dass dies kein Einzelfall ist.
Noch einmal das Beispiel Hörbie: „Nach Zahlen von Similarweb gab es zwischen August 2020 und Juli 2022 weniger als 5000 Klicks auf die Internetseiten von Hörbie”, berichtete die WirtschaftsWoche im September. Die Hörbie-Zahlen für September sehen nicht besser aus. Bei Cliqs-Horrorfilm-Plattform Scream-Stream seien die Besucherzahlen nach einem mehrmonatigen Hoch zuletzt wieder stark gefallen, so die WiWo.
Auch im bekannten Tech-Podcast „Doppelgänger Tech-Talk” von Philipp Glöckler und Philipp Klöckner wurden die Userzahlen von Cliq Digital kritisch hinterfragt.
Die beispielhaft genannten öffentlichen Daten widerlegen die von Cliq Digital angegebenen Userzahlen zwar nicht, mahnen aber zur Vorsicht, zumal das Unternehmen in seinem weit verzweigten Dickicht von Tochtergesellschaften, unter anderem diverse Payment-Dienstleister, bisher ausreichende Transparenz vermissen lässt. Wann, wo, wie und über welche Kanäle User auf welche Angebote ansprechen, ist für Anleger kaum nachzuvollziehen.
Derweil schürt Cliq Digital weiter Wachstumsphantasien. Man sei mit diversen potenziellen Übernahme-Targets in Gesprächen, verrät Cliq-Vorstand Bos im Investorencall am Donnerstag. Noch aber seien die Gespräche in einem frühen Stadium. Geduld ist bei Anlegern gefragt - und Vertrauen in das Unternehmen, das seinen Anteilseignern diverse Intransparenzen zumutet. „Red flags” für die einen, für die anderen ignorierbar. Sicher ist nur: Die Geister werden sich an Cliq Digital auch zukünftig scheiden.