Aktienmarkt: EU-Gipfel und Wirecard werden diese Woche im Fokus stehen - Börse München Kolumne
Deutliche Korrektur: Die deutschen Aktienmärkte haben in der vergangenen Woche erhebliche Verluste verzeichnet. Damit bestätigten sich skeptischere Analystenprognosen, die seit Längerem vor genau einer solchen Entwicklung gewarnt hatten. Nachdem sich die Anleger bereits in der ersten Hälfte der Handelswoche zurückgehalten und vereinzelt Gewinne mitgenommen hatten, brachen die Kurse am Donnerstag regelrecht ein. Ursache hierfür waren trübe Konjunkturprognosen der US-Notenbank Fed, diese hatten die Hoffnungen auf eine rasche Erholung der Weltwirtschaft von den Folgen der Corona-Krise untergraben. Zudem sorgten sich die Anleger zunehmend vor einer sogenannten zweiten Welle der Corona-Pandemie, nachdem in einigen US-Bundesstaaten die Zahl der Infektionen wieder zugenommen hatte.
Der Deutsche Aktienindex (Dax) sackte im Wochenvergleich um 7,0 Prozent auf 11.949,28 Punkte ab. Der MDax verlor 6,3 Prozent auf 25.477,06 Zähler. Größte Indexverlierer waren auf Wochensicht die Titel von Airbus mit einem Abschlag von fast 16 Prozent. Der Flugzeugbauer leidet besonders unter der aktuellen Krise. ProSiebenSat.1 büßten nur geringfügig weniger ein, die Anleger reagierten enttäuscht auf die Signale im Rahmen der Hauptversammlung und den unverändert fehlenden Ausblick auf das Gesamtjahr. Der TecDax fiel im Wochenvergleich um 5,6 Prozent auf 3.069,17 Punkte. Der m:access All-Share hielt sich mit einem Abschlag von 2,0 Prozent auf 2.550,91 Zähler vergleichsweise gut.
Die Kurse an den deutschen Anleihemärkten haben in der vergangenen Woche merklich angezogen und die Verluste der Vorwoche ausgeglichen. Die als sicher geltenden Bundespapiere profitierten von der Zurückhaltung und Nervosität der Anleger. Dabei wirkten sich neben den Aussagen der Fed auch einige Konjunkturdaten merklich auf das Marktgeschehen aus. Die Rendite der richtungsweisenden zehnjährigen Bundesanleihe fiel im Wochenvergleich von -0,306 auf -0,45 Prozent, die Umlaufrendite ging von -0,30 auf -0,41 Prozent zurück. Die Notierungen entsprachen damit exakt denen von Freitag vorvergangener Woche.
Die US-Aktienbörsen haben sich zu Ende der vergangenen Handelswoche etwas von ihrem vorangegangenen Kurseinbruch infolge der Fed-Aussagen erholt, die Wochenbilanz fiel aber auch hier negativ aus. Der Dow-Jones-Index gab im Wochenvergleich 5,6 Prozent ab auf 25.605,54 Punkte. Der breiter gefasste S&P-500-Index reduzierte sich um 4,8 Prozent auf 3.041,31 Zähler. Der technologielastige Nasdaq-100-Index sank um 1,6 Prozent auf 9.663,77 Punkte.
Ausblick
Nachdem die außerordentliche Rally an den deutschen Aktienbörsen in der vergangenen Woche ihr vorläufiges Ende gefunden hat, herrscht unter Beobachtern beim Blick auf die kommenden Tage Uneinigkeit: Während die einen davon ausgehen, dass die Verluste der vergangenen Woche den Beginn einer anhaltenden Abwärtsbewegung dargestellt hätten, hoffen andere darauf, dass es sich lediglich um eine zeitweiligen Rücksetzer gehandelt habe. Übereinstimmung zwischen den beiden Gruppen gibt es allerdings darin, dass die Volatilität an den Märkten hoch bleiben dürfte.
Wohin es an den Märkten tatsächlich gehen wird, dürfte in hohem Maße einmal mehr von der Nachrichtenlage zur Corona-Pandemie abhängen. Sollte diese die Sorgen vor einer zweiten Infektionswelle und neuerlichen drastischen Gegenmaßnahmen bestärken, dürfte sich dies deutlich negativ auf die Anlegerstimmung auswirken. Die aus China bekannt gewordenen neuen Infektionsfälle in Peking dürften zumindest zu Beginn der Woche belastend wirken.
Wichtige Impulse könnten von dem am Donnerstag beginnenden EU-Gipfel kommen. Auf diesem wollen die Staats- und Regierungschefs über den geplanten Milliarden Euro schweren gemeinsamen Corona-Rettungsfonds diskutieren. Sollten dabei die Signale überwiegen, dass hier keine Einigkeit möglich ist, könnte dies die Märkte merklich bewegen. Im umgekehrten Fall könnte es zu einer Rückkehr des zuletzt abhanden gekommenen Optimismus führen. Allerdings dürften auch dann vielen Anlegern bewusst bleiben, dass die Auswirkungen der Krise selbst im günstigsten Fall erheblicher und länger anhaltend sein dürften als noch zu Anfang Juni gehofft.
Von Seiten der Konjunkturdaten erwarten sich Analysten in den kommenden Tagen nur wenige potenziell marktbewegende Impulse. Zu den interessantesten Zahlen dürften die ZEW-Konjunkturerwartungen sowie der New York Empire State Index oder der Philadelphia Fed Index aus den USA gehören. Daneben stehen die Ergebnisse der Ratssitzungen der englischen sowie der japanischen Notenbank auf der Agenda.
Beim Blick auf Einzelunternehmen dürften wieder einmal Wirecard im Fokus stehen, der Zahlungsdienstleister will nach mehrmaliger Verschiebung seine detaillierten Jahreszahlen vorlegen. Zudem dürften die Anleger auf Neuigkeiten in Bezug auf die jüngsten Ermittlungen der Wertpapieraufsicht achten.
Für zusätzliche Schwankungen an den Märkten könnte der am Freitag anstehende große Verfallstermin an den Terminmärkten, der sogenannte Hexensabbat, sorgen. Im Vorfeld könnten große Investoren versuchen, die Kurse in die gewünschte Richtung zu treiben.
Ausgewählte wichtige Termine der Woche
Montag. 15.06.: Handelsbilanz der Eurozone; New York Empire State Produktionsindex (USA); Industrieproduktion in China
Dienstag, 16.06.: ZEW-Konjunkturerwartungen; Verbraucherpreise in Deutschland; Einzelhandelsumsätze in den USA; Industrieproduktion in den USA; Anhörung des Chefs der US-Notenbank, Jerome Powell, vor dem US-Kongress; Ergebnis der Ratssitzung der Bank of Japan
Mittwoch, 17.06.: Verbraucherpreise in der Eurozone; Baubeginne und -genehmigungen in den USA;
Donnerstag, 18.06.: Philadelphia Fed Herstellungsindex (USA); Ergebnis der Ratssitzung der Bank of England
Freitag, 19.06.: Erzeugerpreise in Deutschland; Leistungsbilanz der Eurozone; Großer Verfallstermin an den Terminbörsen („Hexensabbat“); Leistungsbilanz der USA
Autor: Dr. Robert Ertl, Vorstand der Bayerischen Börse AG