Brexit-Deal: Unendliche Geschichte oder Mission Impossible? - Nord LB Kolumne
Eigentlich sollte bis zum gestrigen Sonntag absolute Klarheit über den Brexit herrschen. Wie so häufig bei der Scheidung von London und Brüssel haben sich nun aber wieder Planänderungen ergeben. Die ursprünglichen Terminvorgaben sind damit also offenkundig nicht mehr von Relevanz. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der britische Premierminister Boris Johnson haben in einem Telefongespräch beschlossen, die Frist für eine Einigung abermals zu verlängern. Der Brexit bleibt damit eine unendliche Geschichte. Er könnte aber weiterhin auch noch zu Mission Impossible werden!
Allerdings scheint die erneute Fristverschiebung unserer Auffassung nach schon ein Signal dafür zu sein, dass beide Seiten grundsätzlich an einer Einigung interessiert sind. Vor allem ökonomisch würde ein Deal für London und Brüssel auf jeden Fall Sinn machen.
Insbesondere Boris Johnson steht an dieser Stelle unter großem Druck. Sollte ein „harter“ Brexit wirklich nicht abgewendet werden können, wäre im Vereinigten Königreich zum Start des Jahres 2021 mit einem unnötigen ökonomischen Chaos zu rechnen, welches die nach dem zweiten Lockdown eigentlich zu erwartende Gegenbewegung bei der realen Wirtschaftsaktivität regelrecht abwürgen könnte. Die britische Regierung dürfte eine solche Entwicklung eigentlich nicht favorisieren. Dieses Faktum spricht natürlich für eine Einigung zwischen den beiden Seiten.
Auch die EU würde von einem Abkommen wirtschaftlich profitieren. Regierungsvertreter in Irland haben in Presseinterviews jüngst wieder gewisse Hoffnung auf einen Deal geweckt. Dies mag zwar auch Zweckoptimismus sein, dennoch handelt es sich um ein positives Signal. Die Republik Irland hat nicht nur ökonomisch ein besonderes Interesse an einer Einigung und die Offiziellen in Dublin dürften auch daher gut über den Verlauf der Gespräche der EU mit Großbritannien informiert sein.
Die problematischen Punkte bei den Gesprächen scheinen weiterhin die Fischerei, die Sicherstellung fairer Wettbewerbsbedingung und die Frage nach den Mitteln zur Durchsetzung des Abkommens zu sein. Hier müssen noch für London und Brüssel akzeptable Lösungen gefunden werden. Die Zeit dafür wird knapp. Beide Seiten planen daher auch Maßnahmen für den Fall des „harten“ Brexit.
Fazit: Die EU und das Vereinigte Königreich haben die bisher gültige Frist für eine Einigung beim Brexit wieder verstreichen lassen. Die Gespräche über einen Deal gehen also doch weiter. Damit sind London und Brüssel nun sprichwörtlich in der Nachspielzeit der Verlängerung der Verlängerung angekommen und eine Abschätzung der weiteren Schritte beider Seiten wird immer schwieriger. Offenkundig besteht aber immerhin ein grundsätzliches Interesse an einer Lösung. Das Brexit-Chaos hält somit an. Klar ist aber auch, dass sich selbst mit einem Deal spürbare Belastungen für die britische Volkswirtschaft ergeben würden. Eine Einigung zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich könnte lediglich das größte ökonomische Chaos zum Start des Jahres 2021 doch noch verhindern.