OTRS: „Die Aktie ist maßlos unterbewertet“
Wenn man OTRS-Chef Andre Mindermann fragt, was sein Unternehmen macht, erntet man zunächst ein leichtes Grinsen. Und dann kommt die Bemerkung, dass es auf einen Blick schwierig zu verstehen sei, was die Gesellschaft anbiete. Man liefere das, was gefordert wird. Vielleicht werde dies aber an Anwendungsbeispielen deutlicher.
So nutzen Schaffner der Deutschen Bahn eine App, in der die Zugverspätungen aufgelistet sind. Die entsprechenden Daten darin werden von OTRS weiterverarbeitet, die Informationen werden mit Hilfe der OTRS-Anwendung gemanagt. Bei der Lufthansa kommt ein OTRS-System in 13 Ländern zum Einsatz, das bei der Abwicklung von Reklamationen und Rückerstattungen von gebuchten Flugtickets hilft. Und bei Porsche Finance wird das Backend von OTRS betrieben und gesteuert, mit dem die Händler mit Porsche kommunizieren. Die ARD Gruppe nutzt die Services von OTRS wiederum zur Abwicklung von internen Serviceanfragen rund um die Produktion von Sendungen.
Ob der Markt all dies versteht, ist schwer zu sagen. Einerseits hat die OTRS-Aktie in den vergangenen zwölf Monaten rund 40 Prozent zugelegt, andererseits erscheint Mindermann das Papier weiter maßlos unterbewertet. Die Marktkapitalisierung des Unternehmens liegt bei rund 18 Millionen Euro, doch selbst bei einem Übernahmeangebot von 50 Millionen Euro würde Mindermann gar nichts unternehmen, erklärt er auf der virtuellen Frühjahrskonferenz des Equity Forum. Er sieht in OTRS ein unglaubliches Potenzial.
Erklärt wird dies von Mindermann mit dem Wandel der Strategie. Bis Dezember 2020 hat man für die Open Source Version OTRS 6 noch Updates angeboten. Seitdem wird diese nicht mehr unterstützt. Bildlich gesehen realisieren die User nun, dass sie das Pferd, auf dem sie sitzen, jetzt wechseln müssen, um weiter Hilfe zu erhalten. Alle neuen Versionen laufen über Verträge, bei denen die Kunden zahlen. Anscheinend zahlt sich dies aus. Man hat im Januar teils doppelt so viele Anfragen nach Verträgen erhalten wie in normalen Zeiten. Aus rund 8 Prozent der Anfragen sind inzwischen fixe Verträge entstanden. Mindermann rechnet hier jedoch mit steigenden Werten.
Aktuell hat OTRS rund 820 Kunden. Weltweit haben jedoch mehr als 160.000 Firmen die Open Source Lösungen der Gesellschaft genutzt. Wenn fünf Prozent dieser Kunden künftig auf die Bezahlversion gehen würde, würde sich die Zahl der Kunden verzehnfachen. Der Umsatz würde ebenfalls einen gewaltigen Sprung machen. Die Vorgabe von Mindermann sind 100 Millionen Euro. „Das ist unsere Zielgröße, an der arbeiten wir“, so Mindermann auf der Equity Forum Konferenz.
Bei einem aktuellen Jahresumsatz von 10 Millionen Euro ist dies ein stolzer Wert, der sicherlich nicht mittelfristig erfüllt werden kann. Zudem gibt es die Unsicherheit, ob tatsächlich so viele Kunden für die Dienste zahlen wollen oder sich andere kostenlose Services suchen werden.
Für 2021 sieht OTRS den Umsatz bei 10,7 Millionen Euro bis 11,0 Millionen Euro. 2022 könnte der Wert um weitere 1,5 Millionen Euro bis 2,0 Millionen Euro gesteigert werden. 2023 sollen dann 15 Millionen Euro Umsatz möglich sein.
Erstmals wird OTRS für 2020 auch eine Dividende auszahlen. 0,07 Euro sind es je Aktie. Für Mindermann ist das eher ein symbolischer Betrag, um zu zeigen, dass man es kann. Ab jetzt will man zum regelmäßigen Dividendenzahler werden. Die Ausschüttung soll zudem in Zukunft ansteigen. Angepeilt wird eine künftige Ausschüttungsquote von 50 Prozent.
Zu niedrig ist aus Sicht des Vorstands aktuell der Streubesitz, der bei rund 30 Prozent liegt. Ein Wert von 40 Prozent würde die Aktie möglicherweise attraktiver machen. Um dies zu erreichen, könnte man zum Mittel der Kapitalerhöhung greifen. Das so hereingeholte Geld könnte genutzt werden, um die Expansion bei den Userverträgen zu bewältigen. Doch das ist noch leise Zukunftsmusik.