USA: BIP-Wachstum – starke Nachfrage trifft auf leere Lager - Nord LB
In den USA wurden vor einigen Minuten die ersten Zahlen zur Entwicklung des BIPs im II. Quartal gemeldet. Erwartungsgemäß zeigen diese aktuellen Daten zwar einen deutlichen Anstieg der realen Wirtschaftsaktivität an, mit einer Veränderungsrate von „nur“ 6,5% sind die doch recht optimistischen Prognosen vieler interessierter Beobachter allerdings klar unterboten worden. Insofern muss bei der Beurteilung der Zahlen ohne jeden Zweifel von einer negativen Überraschung gesprochen werden.
Die konjunkturelle Erholung in den USA setzt sich also auch zum Ende des 1. Halbjahres hin fort, kann dabei aber nicht wirklich an Fahrt gewinnen. Die in vielen Bundesstaaten zu beobachtende sehr weitgehende Öffnung der Wirtschaft nach der Coronavirus-Krise ist in diesem Kontext natürlich hilfreich. Es gibt aber eben auch dämpfende Faktoren!
Die heute gemeldeten vorläufigen Zahlen sind noch sehr revisionsanfällig. Folglich ist bei der Interpretation von Details große Vorsicht angebracht. Es scheint allerdings bereits jetzt schon sehr klar zu sein, dass der private Konsum nicht enttäuscht hat. Die Nachfrage der Haushalte nach Gütern und Dienstleistungen bleibt somit eine verlässliche Stütze des Wachstums der US-Wirtschaft.
Ganz offensichtlich kämpfen die Unternehmen in den Vereinigten Staaten aber immer stärker mit großen Lieferproblemen und Versorgungsengpässen bei den Vorprodukten, was dem Wachstum am aktuellen Rand eindeutige Grenzen zu setzen scheint. Zudem ist eine zunehmende Knappheit an Personal zu beobachten, welche in immer stärkerem Ausmaß nicht nur mehr qualifizierte Kräfte zu betreffen scheint. Angesichts dieses Umfeldes sind die Firmen offenbar auch nicht in der Lage, ihre sich immer stärker leerenden Lager wieder angemessen und zügig zu füllen. Dies ist sicherlich eine positive Nachricht für die kommenden Quartale. Zudem dürften die Engpässe zumindest ein wichtiger erklärender Faktor zur Erklärung des Anstiegs der Inflationsraten sein. So ist der BIP-Preisdeflator am aktuellen Rand annualisiert um beachtliche 6,0% gestiegen.
Die Probleme mit verschiedenen Knappheiten werden aber zunächst eine große Herausforderung für den US-Unternehmenssektor bleiben und die ökonomische Erholung somit tendenziell auch weiterhin behindern. Die Wirtschaft der USA ist einfach nicht dafür ausgelegt, um mit Wachstumsraten im Bereich von annualisiert 10% zu glänzen.
Fazit: Das US-BIP konnte im II. Quartal 2021 „nur“ um annualisiert 6,5% zulegen. Dies ist zwar schon ein recht starkes Wirtschaftswachstum, angesichts der ambitionierten Erwartungshaltung muss aber dennoch von einer negativen Überraschung gesprochen werden. Dabei scheint die Nachfrage jedoch nicht das Problem zu sein. Ganz offenkundig haben viele Beobachter die von den Lieferengpässen ausgehenden Belastungen für die nordamerikanische Ökonomie am aktuellen Rand unterschätzt. Diese Nachricht hat schon gewisse Implikationen für die Wirtschaftspolitiker in Washington, da geld- und fiskalpolitische Impulse in einem solchen Umfeld möglicherweise nicht nur ins Leere laufen, sondern sogar kontraproduktiv sein können.