Deutschland: Sondereffekte drücken Inflation unter 5% - Nord LB
Soeben hat das Statistische Bundesamt seine Schnellschätzung zur Entwicklung der deutschen Verbraucherpreise veröffentlicht. Die Inflation, gemessen am nationalen Verbraucherpreisindex (VPI), geht danach auf Jahressicht von 6,1% im August auf 4,5% im September zurück. Die monatliche Dynamik blieb mit 0,3% unverändert. Der für europäische Zwecke harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) fiel im Jahresvergleich von 6,4% auf 4,5% bzw. gegenüber dem Vormonat auf 0,2%.
Der heute gemeldete kräftige Rückgang der Inflation in Deutschland war so erwartet worden. Durch das Auslaufen des 9-Euro-Tickets und des Tankrabattes im Vorjahresmonat ist der kräftige Rückgang aber wohl überwiegend diesem Sondereffekt zuzuschreiben.
Über Preisentwicklungen einzelner Gütergruppen kann nur spekuliert werden, da das Statistische Bundesamt wie üblich in seinen Schnellschätzungen keine tieferliegenden Details veröffentlicht. Meldungen einzelner Landesämter lassen jedoch gewisse Schlussfolgerungen zu. Bedenklich sollte stimmen, dass der Preisdruck u.a. bei Heizöl und Kraftstoffen nur gegenüber dem Vorjahresmonat nachgelassen hat, die Monatsraten mit gut 2% aber weit über der durchschnittlichen Rate liegen. Auch bei Nahrungsmitteln ist im Monatsvergleich nach wie vor mit einem Anstieg über dem Durchschnitt zu rechnen. Für den Inflationsprozess in der Wirtschaft bedeutet das nichts Gutes. Die Kernrate – also Inflation ohne Energie und Lebensmittel – dürfte also weiter hoch sein.
Im europäischen Reigen kam die Meldung aus Deutschland diesmal sehr früh. Abgesehen von Belgien und Irland hatte nur Spanien heute Morgen schon seine Schnellschätzung veröffentlicht. Die Zahlen aus der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone waren eindeutig enttäuschend. Danach hat sich die Teuerung im September wieder beschleunigt. Der HVPI stieg auf Monatssicht von 0,5% auf 0,6%; die Jahresrate erhöhte sich sogar von 2,4% auf 3,3%. Ursächlich sind Steigerungen bei Strom und Treibstoff. Die spanische Zentralbank erwartet nun eine weitere Beschleunigung in das nächste Jahr hinein.
Für die Geldpolitik dürften die Zahlen heute eher eine Bestätigung des restriktiven Kurses der EZB darstellen. Insofern die deutschen Zahlen heute durch nationale Sondereffekte verzerrt werden und Spanien ein Anziehen der Inflation meldete, wäre es zu früh, Entwarnung auszurufen. Das gilt insbesondere auch, weil sich die Preise für Öl seit Ende Juni von unter 75 USD/b auf nun über 95 USD/b erhöht haben und damit wieder etwa auf dem Vorjahresniveau liegen. Von dieser Seite fallen entlastende Faktoren perspektivisch also aus.
Fazit
Die Inflationsrate ist in Deutschland wie erwartet zuletzt zurückgegangen. Im Berichtsmonat September fiel die Jahresrate gemäß Schnellschätzung auf 4,5% Y/Y, beim HVPI ging es sogar auf 4,3% Y/Y runter. Dieser kräftige Rückgang ist jedoch sehr stark von zwei Sondereffekten beeinflusst (Wegfall von 9-Euro-Ticket und Tankrabatt vor einem Jahr). Soweit Einzelheiten schon bekannt sind, deutet sich an, dass die Kernrate in Deutschland weiter viel zu hoch bleibt. Vor allem liegt die monatliche Dynamik bei Energie und Treibstoffen sowie bei Lebensmitteln über dem Durchschnitt. Schlussfolgerungen für die Geldpolitik der EZB sind aber heute schwer zu treffen, weil von den großen Volkswirtschaften bisher nur noch Spanien gemeldet hat. Die Inflation dort zog entgegen den Erwartungen im September wieder an. Insofern scheint sich der restriktive Kurs der europäischen Notenbank eher zu bestätigen.
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