ZEW-Umfrage: Optimismus verflüchtigt sich zunehmend - Nord LB
Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich im Juli weiter verschlechtert. Die befragten Finanzmarktexperten blicken per Saldo nochmals pessimistischer in die Zukunft. Der ZEW-Index für die Konjunkturerwartungen in Deutschland sinkt im Berichtsmonat auf -14,7 Punkte und fällt nach fünf Rückgängen in Folge auf den tiefsten Wert seit Dezember letzten Jahres. Gleichzeitig wird auch die aktuelle Lage erneut schlechter beurteilt als vor vier Wochen. Die Lagekomponente des ZEW-Index gibt auf -59,5 Punkte nach, ein Niveau, das seit Einführung der Befragung 1994 nur drei Mal markiert wurde, während der großen Finanzkrise und zuletzt vor dem Winter mit drohender Gasmangellage im Oktober 2022. Auch für die Eurozone zeigen sich die Experten weniger zuversichtlich, der ZEW Index für die Konjunkturerwartungen gehen auf -12,2 Punkte zurück.
Insgesamt sind das sicher keine guten Nachrichten, die nur deswegen nicht ganz so überraschend kamen, weil gestern bereits der Sentix eine erhebliche Eintrübung der konjunkturellen Lage und Aussichten angezeigt hatte. Offenbar macht der zuletzt gemeldete Anstieg der Auftragseingänge im verarbeitenden Gewerbe noch keinen Unterschied.
Immer weniger Ökonomen glauben, dass es in den nächsten sechs Monaten zu einer Verbesserung gegenüber der aktuellen konjunkturellen Situation kommen wird. Vor allem schwinden die Hoffnungen, dass die Wirtschaft trotz Inflation und Zinserhöhungen die rezessiven Tendenzen absehbar überwinden kann. Mit größter Spannung dürfte nun die Veröffentlichung des ifo-Geschäftsklimas kommende Woche erwartet werden. Das wichtigste Konjunkturbarometer hatte sich zuletzt zwei Mal in Folge verschlechtert, ein drittes Mal wäre ein Zeichen der Trendumkehr und würde das Signal auf Halt stellen.
Blickt man in die Umfrageergebnisse nach einzelnen Branchen, zeigt sich das inzwischen gewohnte Bild einer ausgeprägten Industrierezession, die sich im Berichtsmonat u.a. für die Sektoren Metallverarbeitung, Chemie/Pharma und Elektro verschlechtert hat. Hier dürfte auch die schwache Entwicklung der chinesischen Volkswirtschaft eine Rolle gespielt haben, die besonders die exportabhängigen deutschen Unternehmen trifft.
Der zunehmende Pessimismus der Investoren ist vor dem Hintergrund der zuletzt vermehrt restriktiv auftretenden Vertreterinnen und Vertreter der Zentralbanken zu sehen, die immer wieder betont haben, dass sie bezüglich Inflation noch keine Entwarnung geben. Daran dürfte auch die verschlechterte Stimmung erst einmal nichts ändern, da insbesondere die Aktivitäten in den Dienstleistungssektoren nach wie vor relativ gut laufen und die Kerninflation befeuern.
Fazit: Die Stimmung in der deutschen und europäischen Wirtschaft hat sich im Juli weiter verschlechtert. Die vom ZEW befragten Investoren beurteilen die aktuelle Lage der deutschen Wirtschaft erneut schlechter als im Vormonat, der Index fällt auf -59,5 Punkte. Gleichzeitig blickten sie pessimistischer in die Zukunft, der Index für die Konjunkturerwartungen sinkt auf -14,7 Punkte. Ähnlich trüben sich die Aussichten in Europa ein, hier verliert der ZEW-Index auf -12,2 Punkteweiter. Damit verfestigt sich das Bild einer schwierigen Rückkehr des Wachstums in Deutschland und der Eurozone. Nach den bezüglich der weiteren Geldpolitik zuletzt ausgeprägt restriktiven Äußerungen aus dem Rat der EZB reicht das allerdings sicher noch nicht, um sie von einem weiteren Zinsschritt abzuhalten, jedenfalls so lange die Kerninflation nicht eindeutig auf dem Rückzug ist.
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