Euroland: Zweite Welle bremst Wirtschaft – Erholung aber nur unterbrochen - Nord LB
Die europäische Statistikbehörde Eurostat hat heute ihre erste Schätzung zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in der Eurozone im vierten Quartal veröffentlicht. Erwartungsgemäß hat die zweite Corona-Infektionswelle die Wirtschaftsleistung in den letzten Monaten des Jahres 2020 erneut gebremst. Das preis- und saisonbereinigte Bruttoinlandsprodukt ist im Vergleich zum Vorquartal allerdings nur moderat um 0,7% geschrumpft. Im Gesamtjahr 2020 brach die Wirtschaftsleistung dennoch um insgesamt 6,8% ein, was historisch betrachtet den stärksten Wirtschaftseinbruch im Euroraum darstellt. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum und damit zum Vorkrisenniveau errechnet sich zum Jahresende noch immer ein Rückgang um 5,1%. Die heute gemeldeten Daten liegen aber insgesamt etwas über den Erwartungen der zuvor befragten Analysten und Volkswirte.
Der entscheidende Grund für die Unterbrechung des Erholungsprozesses im Schlussquartal ist die zweite Infektionswelle in der Coronakrise, die seit dem Herbst in weiten Teilen Europas grassiert. Seit dem Oktober haben die meisten Länder hierauf mit relativ rigiden Eindämmungsmaßnahmen reagiert und noch immer befinden sich viele Länder Europas im Lockdown. Während diese Welle gemessen an den Infektionszahlen noch heftiger ausfällt als die erste im letzten Frühjahr, sind die negativen gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen jedoch ungleich geringer.
Vor allem ist dies der unerwartet hohen Dynamik in der Industrie auch während des Lockdowns zu verdanken, wodurch der teils dramatische Einbruch der wirtschaftlichen Aktivität in den besonders von Kontaktbeschränkungen betroffenen Wirtschaftsbereichen weitgehend kompensiert wurde. Zudem dürften sich die meisten Unternehmen nach den Erfahrungen aus dem letzten Frühjahr gut auf die zweite Welle vorbereitet haben. Auch massive Störungen der Lieferketten blieben bislang weitgehend aus und die hohe Auslandsnachfrage hat ebenfalls gestützt.
Die bislang vorliegenden Daten aus den einzelnen Mitgliedsländern belegen ebenfalls, dass sich die Dämpfung der gesamtwirtschaftlichen Aktivität nicht nur über die Zahl der Neuinfektionen und das Ausmaß der Lockdown-Beschränkungen erklären lässt. Während in Österreich (-4,3% Q/Q) und Italien (-2,0%) kräftige Rückgänge zu verzeichnen waren, fiel das Minus in Frankreich (-1,3%) geringer als befürchtet aus. In Deutschland, Spanien, Portugal und Belgien legte die Wirtschaftsleistung sogar leicht zu, was angesichts der auch in diesen Ländern teils massiven Einschränkungen des gesellschaftlichen Lebens Ausdruck einer hohen Resilienz der Wirtschaft ist.
Allerdings muss berücksichtigt werden, dass die Einschränkungen der wirtschaftlichen Aktivität und die negativen Folgen für Unternehmen mit der Dauer der Lockdowns zunehmen dürften. Zudem wurden die Maßnahmen in Sorge vor den neuen Virusmutanten zuletzt in vielen Ländern noch einmal deutlich verschärft. Insofern wird das BIP auch im laufenden Quartal sehr wahrscheinlich schrumpfen, womit nach mechanistischer Interpretation eine Double-dip Rezession vorliegt.
Trotz der schwierigen Lage in diesem Winter stehen die Chancen gut, dass der derzeit nur unterbrochene konjunkturelle Aufholprozess mit dem Brechen der zweiten Welle wieder deutlich an Fahrt gewinnt. Hierzu mögen günstigere Witterungsbedingungen ab dem Frühjahr einen Beitrag leisten, der entscheidende Faktor ist jedoch ein Erfolg der Impfkampagnen. Hierauf sind alle Anstrengungen auszurichten, dann ist 2021 im Euroraum ein BIP-Wachstum von gut 4% erreichbar.
Fazit: Der konjunkturelle Aufholprozess in der Eurozone wurde im Herbst durch die zweite Infektionswelle unterbrochen. Das reale Bruttoinlandsprodukt schrumpfte im vierten Quartal aber nur moderat um 0,7% zum Vorquartal. Für das Gesamtjahr 2020 ergibt sich dennoch ein historischer Einbruch der Wirtschaftsleistung. Trotz des schwierigen Winters stehen die Zeichen für 2021 auf Fortsetzung der Erholung. Neben besseren Witterungsbedingungen ist der entscheidende Faktor ein (zügiger) Erfolg der Impfkampagnen. Bis zum Überwinden der Pandemie bleibt eine Stabilisierung durch Geld- und Fiskalpolitik aber noch notwendig.