EZB: Sommerloch, Fokus auf September - Nord LB
Die Europäische Zentralbank hat auf ihrer heutigen Sitzung wie erwartet ihre Leitzinsen unverändert gelassen. Der Einlagefazilitätensatz bleibt somit bei 3,75% und der Hauptrefinanzierungssatz bei 4,25%. Das Hauptaugenmerk lag hingegen einmal mehr auf den Zwischentönen, die zur Feinabstimmung der Erwartungen hinsichtlich des Zeitpunkts der nächsten Zinssenkung herangezogen werden.
Ein am aktuellen Rand überwiegend intakter Disinflationstrend, ein eingetrübtes Konjunkturbild samt Stimmungsindikatoren und erst im August erscheinende wichtige Lohndaten für Q2 hatten ohnehin auf einen unaufgeregten Übergang in die EZB-Sommerpause hingedeutet. Dazu passen auch die mahnenden Hinweise von Frau Lagarde zwei Wochen zuvor auf dem EZB-Forum in Sintra – Stichwort „datenbasiert“ und „Meeting-by-Meeting“, wie sie sich auch im wie üblich vorab veröffentlichten Statement wiederfinden. Mit dieser Vorsichtshaltung und dem gegenwärtigen Restriktionsgrad der Leitzinsen hatte sich im Vorfeld bereits eine deutliche Mehrheit im EZB-Rat zufrieden gezeigt.
So war die heutige Sitzung ein Balanceakt zwischen der Vermeidung einer Vorfestlegung auf September und gleichzeitig einer gewissen Legitimation der derzeitigen Markterwartungen an Zinssenkungen in diesem Jahr, denen der EZB-Rat ein vergleichsweise hohes Maß an Realismus abgewinnen kann. Die Tür zur nächsten Leitzinsrückführung im September hat sich damit ein Stückchen weiter aufgetan.
Tatsächlich steht auf der nächsten turnusmäßigen EZB-Sitzung am 12. September ein breiter Datenkranz zur Verfügung. Neben zwei weiteren Inflationsdatenpunkten liegen dann auch die wichtigen Lohndaten für Q2 auf dem Tisch – inklusive neuer hauseigener Projektionen. Entscheidend bleibt für den Inflationsausblick vor allem nach wie vor die Lohnentwicklung im Euroraum. Auf Basis der guten Arbeitsmarktlage hat die gestiegene Verhandlungsmacht der Beschäftigten vor allem im Dienstleistungssektor einen hohen Ausgleich der vorangegangen Kaufkraftverluste beschert. Die EZB rechnet weiterhin mit einem verlangsamten Lohnwachstum in 2025, auch wenn offizielle Datenveröffentlichungen am aktuellen Rand und anekdotische Gewerkschaftsforderungen dies nicht vollumfänglich spiegeln.
Allerdings werden aus unserer Sicht die im Spätsommer zu erwartenden geringeren Inflationszahlen den Handlungsdruck im September wieder erhöhen. Zudem dürften die datengespickten geldpolitischen Sitzungen mit Aktualisierungen der Projektionen einen Vorzug für weitere Zinsanpassungen erhalten, was für einen Zinspfad von 25 Basispunkten je Quartal spricht. Diesem Tempo folgend erwarten wir dann aber auch im Dezember eine nochmalige Leitzinsreduktion in gleicher Höhe. Erst dann wird man stärker auf die Handlungen der US-Notenbank schielen (müssen), von der man sich im Rat zwar nicht abhängig machen möchte – ein zu starkes Auseinanderdriften der jeweiligen Zinspolitiken jedoch auch in Frankfurt sicher vermeiden möchte.
Fazit:
Die Europäische Zentralbank hat auf ihrer heutigen Sitzung in einem einstimmigen Entscheid wie erwartet ihre Leitzinsen unverändert gelassen. Dieser Termin war ein Balanceakt zwischen der Vermeidung einer Vorfestlegung auf die September-Sitzung und gleichzeitig einer gewissen Legitimation der derzeitigen Markterwartungen an Zinssenkungen in diesem Jahr, denen der EZB-Rat ein vergleichsweise hohes Maß an Realismus abgewinnen kann. Die Tür zur nächsten Zinssenkung im September mit dann aktualisierten Projektionen inklusive der wichtigen Lohndaten für Q2 hat sich damit ein Stück weiter geöffnet. Aus unserer Sicht werden die im Spätsommer zu erwartenden geringeren Inflationszahlen den Handlungsdruck wieder erhöhen. Mit dem ebenfalls datengespickten Sitzungstermin im Dezember erwarten wir dann eine nochmalige Zinssenkung um 25 Basispunkte. Erst dann wird man auch stärker auf die Handlungen der US-Notenbank schielen (müssen), von der man sich sicherlich nicht zu weit entfernen möchte.
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