Schwarzer Schwan: Was tun bei unvorhersehbaren Ereignissen wie der Corona-Pandemie, Brexit & Co.?
Seit Nassim Nicholas Taleb und seinem Buch über schwarze Schwäne von 2007 nennen wir jene Ereignisse, die unvorhersehbar, selten und höchst unwahrscheinlich sind, „schwarze Schwäne“. Dieser Begriff basiert auf der Erkenntnis, dass es doch schwarz Schwäne in der freien Wildbahn gibt, obwohl ein früheres englisches Stichwort mit seiner Aussage es „gäbe keine schwarzen Schwäne“ falsch lag. Auch in der öffentlichen Wahrnehmung nehmen wir schwarze Schwäne als Ausnahme oder sogar als Fehlentwicklung wahr. Viele Mythen und Märchen thematisieren hingegen den viel bekannteren und verbreiterten weißen Schwan.
Schwarze-Schwan-Ereignisse sind nicht nur kaum vorhersehbar, sondern üben bei ihrem Eintritt extreme Konsequenzen aus. Nicht nur, dass die Öffentlichkeit diese Ereignisse als unwahrscheinlich oder gar unmöglich einstuft, sie spielen dann eine unverhältnismäßig große Rolle für alle Betroffenen. Schwarze Schwäne haben das Potential zu öffentlichen Großereignissen, politischen Umstürzen, wirtschaftlichen Krisen, gesundheitlichen Epidemien oder ökologischen Katastrophen. Mit der aktuellen Corona Pandemie erleben wir gerade die Kombination einer gesundheitlichen Epidemie und einer wirtschaftlichen Krise. Mal sehen, ob noch politische Umstürze folgen. Der entsprechende wissenschaftliche Begriff lautet daher „Diskontinuitäten“.
Generelle theoretische Beispiele möglicher Schwarze-Schwan-Ereignisse wären die Verfügbarkeit einer kostenlosen, unendlichen Energie, eine Verschiebung des Golfstroms, ein Staat ohne Beamte, eine Immunität der Bakterien, ein auf die Erde treffender Asteroid oder der Wechsel von der Geld- zu einer Tauschwirtschaft. Weitere reale Beispiele für schwarze Schwäne waren die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl und Fukushima oder der Austritt Englands aus der EU (Brexit). Sie alle hatten bzw. haben enorme Auswirkungen für unsere Gesellschaft und Wirtschaft.
Nassim Nicholas Taleb differenziert in seinem Buch zwischen negativen und positiven schwarzen Schwänen. Negativ bezeichnet er dabei jene unvorhersehbaren Veränderungen, die einen kritischen bis existenzgefährdenden Effekt auf eine Organisation haben. Umgekehrt fördern die positiven schwarzen Schwäne die Entwicklung von Unternehmen. Doch an dieser Stelle sei ein Widerspruch zu Taleb erlaubt: In jedem negativen Trend steckt auch Potential für positive Chancen! So schlimm Fukushima war, es führte in vielen Ländern zu einem erhöhten Bewusstsein zugunsten der Energiewende. Dies eröffnet Unternehmen neue Geschäftsmodelle im Bereich der regenerativen Energien, eMobilität oder dezentralen Produktionen. Der Brexit bricht mit etablierten Strukturen in der Finanzwirtschaft sowie vieler Produktions- und Logistikketten, doch ermöglicht er den Unternehmen eine Besinnung auf Kernkompetenzen und die Etablierung ebenfalls neuer Geschäftsmodelle.
Was bedeuten daher schwarze Schwäne für die Führung von Unternehmen? Zwei zentrale Ziele gilt es für die Organisationen zu erreichen: Erstens benötigt es Stabilität und Robustheit gegenüber schwarzen Schwänen. Unvorhersehbare Ereignisse dürfen eine Organisation zwar beeinflussen, aber nicht existentiell gefährden. Die Führung muss konsequent offen und pragmatisch schwarze Schwäne identifizieren und akzeptieren. Mittels eines klassischen Krisenmanagements gilt es, das Unternehmen und all seine Stakeholder (Beschäftigte, Gesellschafter, Kunden etc.) zu schützen. Zweitens dient die Robustheit als Basis für die Aktivierung eigener Kräfte, um aus dem schwarzen Schwan eine Chance für das eigene Unternehmen zu gestalten. Mit anderen Worten: Es geht um den Schutz des Unternehmens unter gleichzeitigem Ausnutzen neuer Chancen. So ist das auch in der aktuellen Corona Krise: Das Bestandsgeschäft mit Kunden, Mitarbeitern und Lieferanten gilt es zu schützen. Gleichzeitig ändern sich momentan manche Wertvorstellungen der Menschen und wir erleben eine weitere Dimension der digitalen Transformation. Diese Veränderungen bieten jenen Unternehmen neue Chancen, die dies aktiv erkennen, erproben und umsetzen. Aber da sage ich ja nichts Neues: Schon unser Dichterfürst Goethe nannte drei Buchstaben den Weg zum Erfolg. TUN!