Deutschland: Deutsche Wirtschaft stagniert zum Jahresende - Nord LB Kolumne
Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden hat heute eine vorläufige Schätzung zur Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts im vierten Quartal 2019 veröffentlicht. Demnach stagnierte die reale Wirtschaftsleistung zum Ende des letzten Jahres. Zugleich wurde allerdings der Wert für die Vorperiode leicht aufwärts revidiert. Insgesamt bleibt es somit für das Gesamtjahr 2019 bei einem realen Wirtschaftswachstum von 0,6%.
Auch wenn die Details der BIP-Entwicklung erst am 25. Februar veröffentlicht werden, haben die Statistiker in der heutigen Pressemeldung wie üblich bereits erste Hinweise gegeben. Demnach hat die Unterstützung durch den privaten und öffentlichen Konsum im vierten Quartal deutlich nachgelassen. Bei den Investitionen stützen weiterhin die Bauten, während die Unternehmen deutlich weniger in Ausrüstungen investiert haben. Die Nettoexporte haben ebenfalls leicht gebremst.
Die heutigen Zahlen fallen etwas schwächer als von den meisten Analysten und Volkswirten erwartet aus. Analog zu der ersten Indikation, die die Wiesbadener Statistiker anlässlich der Vorstellung der Jahres-BIP-Ergebnisse für 2019 Mitte Januar gegeben hatten, sah die Konsensschätzung ein marginales Plus von 0,1% Q/Q vor. Insbesondere nach dem Einbruch der Industrieproduktion um 3,5% gegenüber dem Vormonat – dem stärksten Monatsrückgang seit 2009 – deutete die Mehrzahl unserer Prognosemodelle sogar eher auf eine leichte Schrumpfung des BIP im Schlussquartal 2019 hin. Auch die Einzelhandelsumsätze waren zuletzt massiv rückläufig (-3,3% M/M).
Vor diesem Hintergrund erscheinen die heute gemeldeten BIP-Zahlen schon fast in einem positiven Licht. Immerhin kein Rückgang – so bleiben uns vorerst neue Debatten erspart, dass die deutsche Wirtschaft in eine technische Rezession abgleiten könnte. Immerhin ist auch der Ausblick für das laufende erste Quartal 2020 nicht besonders rosig und temporär negative Auswirkungen auf die Wirtschaftsleistung durch das hauptsächlich in China grassierende Coronavirus (COVID-19) können derzeit nicht ausgeschlossen werden. Infolge des Ausbruchs von COVID-19 sowie nicht zuletzt der Maßnahmen der chinesischen Regierung zur Eindämmung des Virus wird die chinesische Wirtschaftsleistung im ersten Quartal voraussichtlich stark gedämpft, was jedoch Aufholeffekte in den Folgequartalen wahrscheinlich macht. Derzeit unterstellen wir nur einen geringen Effekt für das deutsche BIP. Unterbrechungen von Lieferketten mit Auswirkungen auf die Produktion würden jedoch die Gefahr einer stärkeren Dämpfung in sich bergen.
Die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland bleibt insgesamt fragil. Zwar gibt es insbesondere von den Stimmungsindikatoren Hinweise auf eine leichte Erholung nach der Bodenbildung im zweiten Halbjahr – allerdings bleibt die Konjunktur anfällig für Schocks und politisches Störfeuer. Aufgrund des Ausbruchs des Coronavirus dürfte sich die erwartete leichte Erholung zudem weiter verzögern. Vor diesem Hintergrund halten wir an unserer Konjunkturprognose von 1,1% für 2020 fest.
Fazit: Die deutsche Wirtschaftsleistung hat im vierten Quartal 2019 nicht zunehmen können. Wegen der schwachen Dezemberzahlen für die Industrieproduktion und die Einzelhandelsumsätze ergab sich lediglich eine Stagnation des realen BIPs. Für den kurzfristigen Ausblick stellt vor allem der Ausbruch des Coronavirus (COVID-19) die große Unbekannte dar. Derzeit gehen wir davon aus, dass zwar Chinas Wirtschaftsleistung im ersten Quartal stark abbremst, allerdings gefolgt von Aufholeffekten in den Folgequartalen. Größere negative Auswirkungen in Europa wären bei nachhaltigen Störungen von Lieferketten zu befürchten. Zumindest verzögert sich die globale Erholung weiter. Für die deutsche Wirtschaft ist trotz eines positiven Arbeitstageeffekts kaum mehr Wachstum als 1,1% in 2020 möglich.