DAX nach dem neuen Rekordhoch: Gefangen im grenzenlosen Optimismus? - Nord LB Kolumne

Mit der Öffnung der US-Börsen kam heute auch in Europa wieder Bewegung in den Aktienmarkt. Der DAX hatte im frühen Handel zunächst erfolglos den Sprung auf neue Rekordmarken versucht. Mit etwas Rückenwind aus Nordamerika konnte dann doch noch ein neues Allzeithoch in die Lehrbücher der Wirtschaftsgeschichte eingetragen werden.
Vor allem bei den US-Investoren ist die Stimmung aktuell bemerkenswert gut. Anleger in Nordamerika sehen derzeit offensichtlich eher die Chancen und weniger die Risiken von Positionen in Dividendenpapieren. Zudem besteht bei den Marktteilnehmern fast schon eine Art Angst, einen nachhaltigen Aufwärtstrend zu verschlafen und damit in einen Erklärungsnotstand zu kommen. Weiterhin niedrige Zinsen spielen in diesem Kontext natürlich auch eine große Rolle. Festzuhalten ist zudem, dass die internationalen Aktienmärkte inzwischen mit deutlich weniger Skepsis nach China zu blicken scheinen.
Klar sollte aber auch sein, dass die von Peking ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Krankheit die ökonomische Aktivität in Asien negativ beeinflussen werden. Mit Blick auf China haben wir unsere Wachstumsprognose für das Gesamtjahr 2020 jüngst auf einen Wert von nur noch 5,5% reduziert. Vor allem im I. Quartal wird mit Belastungen zu rechnen sein. Das Ausmaß der dann zu erwartenden Gegenbewegung im II. Quartal sollte auch von der Schnelligkeit abhängen, mit der die Produktion im Reich der Mitte wieder hochgefahren werden kann. Glücklicherweise gilt China als sehr dynamische Wirtschaftsnation. Dennoch bestehen aktuell schwer abschätzbare Risiken, die sich in den Kursen an den globalen Aktienmärkten derzeit möglicherweise nicht angemessen zeigen.
Klar ist unserer Auffassung nach auch, dass der deutsche Aktienmarkt im Schlepptau der Wallstreet bleiben wird. Die aktuell zu beobachtende große Robustheit der US-Wirtschaft spricht in der Tat schon für Anlagen in Aktien. Zuletzt hat sich auch die Stimmung in der US-Industrie deutlich verbessert. Der wichtige ISM PMI Manufacturing notiert im Januar wieder oberhalb der Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Auch der Arbeitsmarkt in den USA konnte jüngst mit positiven Zahlen glänzen. Diese Nachrichten müssten nun aber schon sehr weitgehend in den Kursen der US-Dividendenpapiere eingepreist sein. Wir würden zwar auch weiterhin betonen, dass beim Blick auf den Chart des S&P 500 noch nicht von einer spekulativen Preisblase gesprochen werden sollte, der Index dürfte mit einem KGV (Basis: Konsensgewinnschätzung für das Gesamtjahr 2020) von circa 19,4 jedoch sicherlich auch nicht mehr sonderlich günstig bewertet sein. US-Aktien können daher momentan keinesfalls als Schnäppchen bezeichnet werden.
Fazit: Mit Rückenwind von der Wallstreet konnte der DAX seinen erst kürzlich erzielten alten Rekordwert abermals überbieten. Die Stimmung am Markt ist gut. Die Anleger fokussieren eher auf Chancen und blenden Risiken somit immer stärker aus. Insbesondere die momentan noch schwer abzuschätzenden ökonomischen Effekte der Maßnahmen zur Eindämmung der Viruserkrankung in China können perspektivisch zu einem Belastungsfaktor werden. Wir haben unsere Wachstumsprognose für das Reich der Mitte jüngst nach unten angepasst und hoffen momentan auf eine zügige Erholung der chinesischen Wirtschaft im II. Quartal. Sollte dieses Szenario nicht eintreten, würde der DAX sicherlich unter Druck kommen.