Deutsches BIP im dritten Quartal geschrumpft: Ende der Hochkonjunktur - Nord LB Kolumne
Das Statistische Bundesamt hat heute Morgen eine erste Schätzung zur Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts im dritten Quartal 2018 veröffentlicht. Demnach ist die Wirtschaftsleistung im Sommer erstmals seit Anfang 2015 im Vergleich zur Vorperiode geschrumpft. Das reale Bruttoinlandsprodukt verringerte sich saisonbereinigt um 0,2% Q/Q. Gegenüber der Vorjahresperiode ergibt sich nur noch ein Anstieg in Höhe von 1,1%. Die heutigen Zahlen liegen damit im Bereich der Erwartungen der zuvor von Bloomberg befragten Analysten und Volkswirte.
Zwar veröffentlichten die Statistiker im Rahmen der ersten Vorausschätzung wie üblich noch keine Details zur Entwicklung der BIP-Komponenten, gaben aber gleichwohl einige grobe Hinweise. Demnach belastete im Sommer vor allem der Außenhandel, da sich die Exporte im Gegensatz zu den Importen rückläufig entwickelten. Leicht positive Impulse gingen von den öffentlichen Konsumausgaben aus. Auch in Ausrüstungen und Bauten wurde mehr als im Vorquartal investiert.
Der private Verbrauch enttäuschte im dritten Quartal und ging sogar leicht zurück. Zwar hat sich die Beschäftigung weiterhin positiv entwickelt, die Reallöhne haben jedoch angesichts der höheren Inflation nur noch moderat zugelegt. Die Preissteigerungsrate lag im September bei 2,3% Y/Y und kletterte im vergangenen Monat sogar noch weiter auf 2,5% Y/Y. Dies ist vor allem auf stark gestiegene Energiepreise zurückzuführen. Der Preisschub dämpft zumindest temporär das real verfügbare Einkommen. Entsprechend gebremst entwickelte sich zuletzt der reale Konsum.
Die schlechten BIP-Zahlen sind aber teilweise Sonderfaktoren geschuldet. Insbesondere die Probleme mit der Zertifizierung von Fahrzeugmodellen nach dem neuen Prüfstandard für Abgasemissionen WLTP haben zumindest vorübergehend eine merkliche Drosselung der Produktion und der Umsätze im Automobilsektor nach sich gezogen. Auf Basis der für den Monat Oktober vorliegenden Produktionszahlen des Branchenverbands VDA lässt sich ein nur schleppend einsetzender Aufholeffekt identifizieren. Da einige Hersteller mit einer vollständigen Abarbeitung des Zertifizierungsstaus erst zum Jahresende rechnen, dürfte sich die Produktionsbremse nur langsam lösen. Neben den Problemen in der Autobranche dämpfen zunehmend Kapazitätsengpässe und ein unsicheres globales Umfeld. Vor allem der Brexit sowie die Politik von Donald Trump und der Populistenregierung in Italien belasten das Sentiment. Von dem konjunkturellen Rückenwind des letzten Jahres ist zumindest derzeit nichts mehr zu spüren. Zwar gibt es noch keinen Grund für Alarmismus, mit Wachstumsraten über Potenzial ist 2018 und 2019 aber nicht zu rechnen.
Fazit: Die deutsche Wirtschaft hat im Sommer einen empfindlichen Rückschlag hinnehmen müssen. Erstmals seit Anfang 2015 ist das reale BIP im dritten Quartal geschrumpft. Saison- und kalenderbereinigt lag die reale Wirtschaftsleistung um 0,2% unter dem Wert der Vorperiode. Schwache Wachstumsimpulse gingen vom öffentlichen Konsum sowie von den Investitionen aus. Vor allem die Nettoexporte und auch der private Konsum haben hingegen bremsend gewirkt. Auch wenn einige Sonderfaktoren (Probleme im Automobilsektor mit WLTP, starker Preisschub bei Energie) den Rückgang überzeichnet haben, scheint die Phase der Hochkonjunktur beendet zu sein. Von Rückenwind für die Konjunktur ist jedenfalls nicht mehr viel zu spüren, wie auch die gestrige ZEW-Umfrage verdeutlicht hat. Das BIP-Wachstum dürfte in diesem und im kommenden Jahr „nur“ im Bereich von rund 1,5% liegen. Sofern Schockereignisse ausbleiben, sollte die EZB aber durch diese konjunkturelle Abkühlung hindurchsehen und an ihrem langfristig angelegten Pfad der Normalisierung ihrer Geldpolitik grundsätzlich festhalten.