Wein als Geldanlage: Großes Geld mit Grands Crus - Teil 1
Wein als Anlageform schafft es immer mal wieder in die Schlagzeilen nicht nur der Fachpresse. Auch Publikumstitel geben dem Rebensaft gern mal Raum, weil es sich so flüssig darüber schreiben lässt. In neun von zehn Fällen endet der Artikel mit dem launigen Hinweis, dass man sich selbst bei einem Totalabsturz der Aktie ja noch mit einem guten Tropfen über den Verlust hinweg trösten kann. Die nahe liegenden Wortspiele sind verständlich, dürften einem echten Anleger aber vielleicht eher bitter aufstoßen.
Wein als Anlage hat zwar long term recht überzeugende Zuwächse. Vor allem kurzfristige Gewinnabsichten sind aber ein riskantes Unterfangen. Preisfindung und Gewinnabschätzung sind komplizierte Faktoren in der Anlageform. Auf den zweiten Blick gibt es nämlich eine ganze Anzahl schwer zu beurteilender Marktfaktoren.
Was sind Grands Crus?
Grands Crus sind eine mengenmäßig winzige Fraktion der Appellation Bordeaux, die allein etwa so viel Wein produziert wie ganz Deutschland. Im Jahr 1855 erstellten Händler eine seitdem fast unveränderte Rangliste der besten bordelaiser Weingüter auf der Basis ihres derzeitigen Handelswerts. Diese kleine, aber hochfeine Menge wird bis heute über das komplizierte Handelssystem veräußert. Dank ihrer Qualität halten die Weine sehr lange und gewinnen dabei ordentlich an Wert. Das macht sie – und fast nur sie – für Anleger interessant.
Was bedeutet der Jahrgang?
Zuerst mal hängt die Qualität eines Weins vom Jahrgang ab. Keiner ist wie der andere, vor allem nicht bei den höchst gehandelten Weinen wie Bordeaux und Burgund. Das hat weniger merkantile als botanische Gründe.
Weinstöcke wachsen in gemäßigten Breiten, in der hiesigen Sphäre ist das grob gesagt zwischen der Mosel und dem Magrebgebirge, je nach Rebsorte. Weiter nördlich ist es zu kalt, weiter im Süden zu heiß. Die besten Weine wachsen aber traditionell am nördlichen Rand dieser Zone. Das Bordeaux und die Bourgogne sind für ihre Rebsorten die äußersten Habitate. Und da, wo sich der Weinstock am meisten quält, entsteht der beste Wein. Den Klimawandel spüren Winzer zwar so hautnah wie kaum ein anderer Berufszweig, und gerade in den besten Herkünften freut man sich über immer sonnigere Jahrgänge. Extremwetter-Ereignisse gehören aber ebenso dazu. Spätfröste und Hagelschläge können in kürzester Zeit die Arbeit eines Jahres zunichte machen. Regen in der Wachstumsphase und während der Ernte zieht Fäulnis und Pilzkrankheiten an, die jeder Winzer fürchtet. Gerade Hagelschläge können sehr punktuell sein. Auch andere Faktoren treffen nicht immer in gleichem Maß auf das ganze Anbaugebiet zu. Vor allem die besten Winzer wissen auch mit widrigen Bedingungen umzugehen. Die wenigen Perlen eines schwachen Jahrgangs suchen natürlich alle.
Was bedeutet En Primeur verkosten?
Im Frühjahr nach der Ernte verkosten Händler und Journalisten den Jahrgang erstmals. Das ist kein Spaß. Denn in diesem Stadium ist der Wein äußerst unreif. Gerade große Bordeaux´ sind nicht nur sehr lagerfähig. Sie brauchen auch viele Jahre, bis sie trinkreif sind. Jung sind sie sehr bitter und adstringierend. Zum Zeitpunkt der En Primeurs dauert es noch ein bis anderthalb Jahre, bis sie überhaupt in Flaschen gefüllt und verkauft werden. Abgerechnet wird aber sofort. Mit anderen Worten, der Einkäufer setzt auf eine zukünftige Qualitätsentwicklung und dazu einen Preis, der noch entstehen muss. Zwischenhändler und Einkäufer haben oft jahrzehntelange Erfahrung und können das ganz gut einschätzen.
Aber nicht nur das Klima verändert sich und lässt die Weine viel früher reifen als noch vor 30 Jahren. Auch die technischen Möglichkeiten haben sich rasant entwickelt. Dank verbesserter Hygiene entfallen viele Risiken der Reifung. Mit chemischen und maschinellen Mitteln kann der Winzer großen Einfluss auf den Charakter und die Entwicklung des Weins nehmen. Grob gesagt haben Weine, die sich früh schon sehr angenehm zugänglich zeigen, am Ende weniger Alterungspotenzial. Adieu Wertsteigerung. Die Erfahrungen der Altvorderen sind deshalb nicht mehr ganz so verlässlich. Ihre Kenntnisse ersetzt dennoch niemand. Noch etwas mehr als andere Futures bergen die Käufe Risiken. Der Livex Report weist gerade darauf hin.
Was bedeuten Punkte?
Seit den achtziger Jahren haben sich Weinkritiker, allen voran Robert Parker, einen Namen mit ihren Bewertungen gemacht. Der gelernte Anwalt hat mit seinem Hundert-Punkte-Bewertungssystem millionenschweren Einfluss gewonnen. Mittlerweile hat er sich zwar aus dem Geschäft zurück gezogen, sein Punktesystem lebt aber weiter. Während der En-Primeur-Verkostungen werden die Bewertungen teils hinter vorgehaltener Hand, teils halblaut weiter gegeben. Während dessen wird der Preis festgesetzt. Gute Parkerbewertungen können da bei den Winzern kräftige Kreativschübe auslösen. Preissteigerungen im höherem zweistelligen Prozentbereich gehören zum Alltag. Vor allem aber entscheidet jedes Weingut nach seinem Gutdünken und immer aus nicht veröffentlichten Gründen. Dazu gehört oft genug auch die eigene Lagersituation. Nicht vollständig verkaufte Ernten bedeuten lästige Kapitalbindung.
Mehr zum Thema „Wein als Geldanlage” lesen Sie am Silvestertag im Teil 2 dieses Beitrags. Dann geht es um den Sekundärmarkt und die Preisentwicklung.