Starker Dollar: The winner loses? - iBanFirst
Als Präsident Joe Biden am 16. Oktober von Journalisten zur Stärke des Dollars befragt wurde, schlug er einen recht beruhigenden Ton an. „Ich mache mir keine Sorgen um die Stärke des Dollars. Ich mache mir Sorgen um den Rest der Welt. Unsere Wirtschaft ist verdammt stark. Die Inflation ist überall auf der Welt“. All dies sagte er mit einem Lächeln im Gesicht, während er ein Eis aß. Das mag zynisch erscheinen. Aber er hat recht. Zumindest teilweise.
Auf dem Papier hat der Dollar die Oberhand und kann aus Sicht eben jenes die Situation nur positiv bewerten.
Die Vereinigten Staaten nutzen weiterhin das exorbitante Privileg des amerikanischen Greenbacks, um den größten Teil der restlichen Welt in die „Falle zu locken“. Die Stärke des Dollars hat automatisch eine Abwertung anderer Währungen zur Folge. So auch beim Euro. Das Währungspaar EUR/USD hat seit Jahresbeginn 13 % seines Wertes verloren. Und das ist wahrscheinlich erst der Anfang. Bei iBanFirst gehen wir davon aus, dass im Laufe des Winters ein Tiefstand von 0,90 erreicht werden könnte, was eine direkte Folge der bevorstehenden Lieferschwierigkeiten darstellen würde. Die Strategen der US-Bank Citi gehen davon aus, dass der Euro bis auf 0,86 fallen wird. Grund dafür sind die Rezession in der Eurozone (die unter Berücksichtigung der jüngsten PMI-Indikatoren wahrscheinlich bereits begonnen hat) und die Energiekrise. Die Hegemonie des Dollars ist sowohl Ursache als auch Symptom des Attraktivitätsverlustes eines europäischen Kontinents, der unter der Inflationsspirale leidet, die durch eine Energiekrise angeheizt wird, die durch den ungünstigen Wechselkurs der importierten Materialien noch verstärkt wird.
Aber können sich die USA überhaupt mit etwas brüsten?
Einige US-Firmen sind durch den starken Dollar besonders gefährdet, vor allem international tätige. Ein US-amerikanisches Unternehmen, das einen Teil seines Umsatzes in Europa erzielt, wird bei konstantem Umsatz automatisch einen Rückgang seines Nettogewinns unter dem Einfluss ungünstiger Wechselkurse verzeichnen. Daten der Vermögensverwalter Morningstar und State Street Global Advisors (insbesondere der ETFs für Europa, die die Performance der wichtigsten börsennotierten Sektoren nachbilden) zeichnen ein gutes Bild davon, wie stark die einzelnen Wirtschaftssektoren den Schwankungen des US-Dollars ausgesetzt sind. In den Vereinigten Staaten sind die Technologiekonzerne wie Meta, Amazon, Apple usw. am stärksten von der Dollarstärke betroffen. Dies ist einigermaßen logisch, da ihr Markt global ist und in vielen Fällen mehr als die Hälfte ihrer Einnahmen außerhalb des US-Territoriums erzielt werden. Dicht dahinter folgt der Grundstoffsektor (Unternehmen, die Metalle, Chemikalien oder Nichteisenmetalle herstellen) und der Sektor der Telekommunikationsdienste.
Der europäische Gesundheitssektor ist einer der Gewinner
In Europa hingegen dürften einige Branchen stärker hervorgehen. Beispielsweise Unternehmen des Gesundheitswesens können stark profitieren, da sie einen wesentlich größeren Anteil ihrer Einnahmen in den Vereinigten Staaten erzielen. An zweiter bzw. dritter Stelle stehen Konsumgüter (z. B. Elektronik, Bekleidung und Luxusgüter) und das verarbeitende Gewerbe. Im Gegensatz dazu sind Unternehmen, die im öffentlichen Dienst sowie im Bau- und Finanzsektor tätig sind (letzterer ist aufgrund von Marktzutrittsschranken und rechtlicher Risiken oft nicht auf dem US-Markt vertreten), in Bezug auf ihren Umsatz weniger exponiert.
Und das Ende des Lieds?
Natürlich gibt es für einige europäische Unternehmen Mitnahmeeffekte. Gerade exportierende Unternehmen dürfte dies freuen: diejenigen, deren preisliche Wettbewerbsfähigkeit auf den Exportmärkten durch den schwachen Euro verbessert wird und diejenigen, die einen Teil ihrer Einnahmen in den USA erzielen. Alles in allem ist das Ende der Fahnenstange jedoch leider wohlbekannt. Ein übermäßig starker Dollar ist ein Rezessionsbeschleuniger. Diese beginnt im Allgemeinen in den Schwellenländern, die besonders empfindlich auf Wechselkursschwankungen reagieren. Auch die Eurozone ist an vorderster Front dabei. Und während die Ökonomen weiterhin über das ideale Niveau des EUR/USD aus wirtschaftlicher Sicht debattieren, gibt es kaum Zweifel daran, dass ein Euro unter der Parität problematisch ist. Wie bei Gesundheitskrisen kann sich keine geografische Region als immun gegen einen übermächtigen Dollar betrachten. Die importierte Inflation wird über kurz oder lang die Weltwirtschaft anstecken. Die Vereinigten Staaten werden dafür einen hohen Preis zahlen. Und wenn dieser Tag kommt, wird Joe Bidens Eiscreme einen weitaus bittereren Geschmack haben.
Disclaimer: Der Text ist eine Kolumne der Mark Elser, Country Head Germany von iBanFirst. Der Inhalt der Kolumne wird von 4investors nicht verantwortet und muss daher nicht zwingend mit der Meinung der 4investors-Redaktion übereinstimmen. Jegliche Haftung und Ansprüche werden daher von 4investors ausdrücklich ausgeschlossen!