Cliq Digital: Die Börse glaubt die Wachstums-Geschichte nicht mehr
Man sei eine Marketing-Maschine, so ist es regelmäßig von Cliq Digital zu hören. Die Aussage des Düsseldorfer Streaming-Anbieters gilt dabei zwar vor allem den eigenen Produkten, kann aber auch gut auf die eigene Aktien gezielt sein. Auch bei der heutigen Investorenkonferenz wird das Bild einer wachstumsstarken, modernen Company gezeichnet, deren Entwicklung gefühlt wie auf Schienen verläuft. Cliq-Vorstand Ben Bos tritt betont selbstbewusst auf, auch wenn er sich hier und da verhaspelt, spickt seine Rede mit Buzzwords, die Investoren gerne hören - das Stichwort KI fehlt da natürlich nicht.
Nur: Der Markt nimmt Cliq Digital die Wachstumsstory nicht mehr uneingeschränkt ab. Zweifel an der Story und Kritik am Unternehmen unter anderem wegen Intransparenzen, unter anderem bei Umsatzquellen und Marketingausgaben, gibt es schon länger, auch wenn die Zahlen und Perspektiven der Düsseldorfer auf den ersten Blick immer blendend aussehen. So auch heute: Zwischenzeitlich bricht der Aktienkurs ein, nachdem das Unternehmen seine Bilanz für 2023 vorgelegt hat und CEO Luc Voncken von sehr guten Fortschritten bei der Stärkung des Geschäfts berichtet und ein „bewährtes und erfolgreiches Geschäftsmodell” betont. Trotzdem rauscht der Kurs im XETRA-Handel bis auf 15,84 Euro in die Tiefe. Schon gestern gab es höhere Verluste, nachdem am Dienstag noch Kurse über 20 Euro notiert wurden. Mittlerweile pendelt die Aktie wieder um 17 Euro, liegt damit rund 1,3 Prozent gegenüber dem gestrigen Schlusskurs im Minus.
Hört man den Vortrag von Bos im Investorencall, könnte die Kursentwicklung wundern, denn der Manager gibt sich von den Chancen und Perspektiven extrem überzeugt. Schaut man aber näher hin, so hat Cliqs Wachstumsstory längst Risse bekommen. Im vierten Quartal 2023, wir berichteten bereits, wuchs Cliqs Umsatz kaum noch und die Erwartungen wurden verfehlt.
Ausblick auf 2024 enttäuscht
Nun hat auch der am Donnerstag vorgelegte Ausblick für 2024 nicht gehalten, was die Experten im Vorfeld ausgerechnet hatten. Cliq Digital erwartet einen Umsatzanstieg von 326 Millionen Euro auf 360 Millionen Euro bis 380 Millionen Euro. Mehrere Analystenhäuser hatten 401 Millionen Euro bzw. 421 Millionen Euro Umsatz erwartet, Warburg 375,3 Millionen Euro. Das EBITDA soll im laufenden Jahr von 50 Millionen Euro in 2023 auf 52 Millionen Euro bis 58 Millionen Euro steigen. Hier liegt wieder nur die Prognose von Warburg mit 56,3 Millionen Euro innerhalb der Spanne, die Cliq prognostiziert. NuWays hatte 62,8 Millionen Euro prognostiziert, weitere Schätzungen lagen sogar noch darüber.
Cliqs mittelfristiger Ausblick klingt ebenfalls vorsichtiger als zuvor: Hatte das Unternehmen bisher für Ende 2025 einen Umsatz von 500 Millionen Euro in Aussicht gestellt, heißt es nun: Ziel sei es, „eine Run-rate im vierten Quartal 2025 zu erreichen, die einen jährlichen Umsatzerlös von mehr als 500 Millionen Euro in Zukunft ermöglicht”. Zum EBITDA gibt man für 2025 keine Prognose ab.
Die Enttäuschungen haben mehrere Gründe. Zum einen läuft die „Marketing-Maschine” Cliq Digital längst nicht mehr so geschmiert wie das Unternehmen suggeriert. Das neue, als Konzern-Flaggschiff geplante und angekündigte Streaming-Angebot cliq.de (Claim: „Best of alles”) läuft alles andere als überzeugend. Immerhin: Hatte sich Cliq Digital bisher stets geweigert, dafür Userzahlen zu nennen, so zeigt man hier etwas Transparenz. Eine „solide fünfstellige” Mitgliederzahl habe man erreicht, so Bos im Investorencall am Donnerstag. Im Geschäftsbericht ist lediglich von einer fünfstelligen Zahl die Rede. Mehr als ein Jahr nach dem - wie Bos zugibt - „holprigen Start”, ist das mehr als enttäuschend für ein als „Flaggschiff” an den Markt gebrachtes Produkt. Allerdings, Cliq Digital: An dem Streaming-Dienst scheiden sich die Geister, ist das angesichts öffentlich zugänglicher Daten unter anderem zum Traffic des Portals oder der App-Downloads auch nicht so überraschend - wenn man es denn sehen wollte.
„Insider”-Anteil sinkt von 11 auf 9 Prozent
Überraschend dürfte für einige Börsianer ein anderes Detail sein, das im Zuge der Berichterstattung von Cliq Digital zum Jahr 2023 ans Licht kam: Gab das Unternehmen im Geschäftsbericht für 2022 noch an, dass Vorstand und Aufsichtsrat per 31.12.2022 gemeinsam 11 Prozent der Stimmrechte halten, so sind es zum 31.12.2023 nur noch 9 Prozent. Auch das mag nicht so recht zu der Wachstumsstory passen, die Cliq Digital mit viel Selbstbewusstsein nach außen verkauft.
Es ist eine Story, die zudem teurer und teurer wird. Zu Cliqs Angeboten gehört, dass der Content meist eher geringer Qualität ist und Abonnenten der Dienste sich daher selten lange binden lassen - im Schnitt sind es gerade einmal sieben Monate, wie Cliq durchblicken ließ. Die Düsseldorfer sehen sich damit mehr als ihre Konkurrenz permanent im Zwang, neue User zu akquirieren, was mehr und mehr kostet. Und hierfür muss man deutlich größere Anteile des Umsatzes aufwenden als die Konkurrenz.
Dass die steigenden Preise für die Userakquise sich wieder auf frühere, niedrigere Niveaus einpendeln, brauchen Aktionäre der Gesellschaft nicht zu hoffen. Das Umfeld für die Userwerbung bleibe herausfordernd, wie Bos am Donnerstag im Investorencall zugibt. Bis zu 170 Millionen Euro will man in diesem Jahr hierfür ausgeben nach 135 Millionen Euro im vergangenen Jahr. Kurzfristige Besserung sei, so Bos, nicht zu erwarten.