Dax in dünner Luft - Börse München
Diese Woche wurde unsere und die Aufmerksamkeit der wichtigsten Medien von Afghanistan geprägt, ja paralysiert. „Kabul versinkt im Chaos“ hieß es beispielsweise wortgleich auf den Titelseiten von Handelsblatt und Augsburger Allgemeinen. Darüber gerieten Wirtschafts- und Finanzthemen notabene in den Hintergrund. Die Wirtschaft in der „Eurozone kommt im Frühjahr schwungvoll aus der Rezession“ textete die Frankfurter Allgemeine. Auch einige Banken meldeten Rekordergebnisse. Aber je länger die Woche andauerte, desto mehr sackten die Kurse ab, von den Allzeithochs der Vorwoche blieb wenig übrig. Die Probleme, die auf die Stimmung schlugen, waren vielfältig „Delta-Sorgen belasten Europas Börsen“ so die Börsen-Zeitung, aber nicht eindeutig, „Aufholjagd an Japans Börsen“ und „Nebenwerte mit Kursgewinnen“ konterte das Handelsblatt. Wobei „Dax zeigt Höhenangst“, ebenfalls im Handelsblatt, die Situation wohl am besten auf den Punkt brachte.
Entspannt
Ein wenig der Sommerlethargie (trotz schlechten Wetters) hat sich Börse Online verschrieben und macht mit „Gewinnen ohne Stress“ auf. Die Redaktion empfiehlt „Acht defensive Aktien für jede Börsenphase“. Den Titel von Focus Money mussten wir zweimal lesen, aber das kann an unserer sommerlich verminderten Aufmerksamkeitsfähigkeit liegen: „Nie wieder Zinsen“ hieß es da und in großen Lettern: „doch“. Aha. Man musste das zumindest kleiner, wenn nicht klein Gedruckte lesen, um zu verstehen: „die besten Aktienanleihen“. Die versprechen laut Focus Money Zinsen zwischen 8,5 und 6 Prozent. Ein trister Rechnungsbeleg ziert die September-Ausgabe von Capital und wird zur Abrechnung: 1.630 Milliarden Euro kosten Corona-Welle, Flutkatastrophe, Digitalisierung, Infrastruktur und Klimaschutz so das Blatt und fragt „Wer soll das bezahlen“? Der legendäre Songtext von Jupp Schmitz geht übrigens weiter mit „…, wer hat das bestellt / Wer hat so viel Pinke-Pinke, wer hat so viel Geld?“ Wer´s druckt, möchte man antworten...
Gut & günstig
Mehr als 400 deutsche Aktien hat Focus Money auf den Prüfstand gestellt auf der Suche nach „Deutschlands Beste“, die aber gleichzeitig „Gut & Günstig“ sein sollten. 672 deutsche Aktien hätten sie bei Börse München finden können! Gesucht wurde nach Aktien mit dem „4-in-1-Powermix“, was ein wenig an Müsli erinnert, aber sie mussten sechs (sic!) Hürden überwinden, um in die Auswahl übernommen zu werden. Diese Hürden waren „Steigender Buchwert“, „Wenig Schulden – viel Gewinn“, „Geringes Insolvenzrisiko“, „Zehn Prozent Rendite – mindestens“, „Zweistellig Profitabel“ und „Immer noch günstig“! Im Ergebnis hielten 28 Aktien zumindest fünf der sechs Kriterien stand, die wir wie immer nicht verraten wollen. Überraschungen sind dabei wie auch bekannte DAX-Werte. Die letzte Hürde des „Immer-noch-günstig“ schafften aber nur ganze drei! Vielleicht nimmt die Redaktion künftig noch andere Länder unter die Lupe?
Stoisch
Börse Online stellt in der aktuellen Ausgabe unter „Alte Weisheiten in der Neuzeit“ „7 Ideen für nachhaltigen Erfolg“ des Managementberaters Tom Morris vor. Er beruft sich dabei auf den römischen Philosophen und Stoiker Seneca. Morris‘ eigene „Erfolgsformel 7xC“ verwendet allerdings ausschließlich Begrifflichkeiten aus dem Englischen – Latein ist eben schon lange keine „Lingua Franca“ mehr! „Conception“, „Confidence“ oder „Capacity“ lauten seine Schlagworte unter anderem. Die wechselhafte Vita von Seneca – unter Kaiser Caligula wurde der Senator nach Korsika verbannt, schließlich avancierte er zum Lehrer und Berater des Kaisers Nero, bis ihn dieser zum Selbstmord verurteilte – ist wahrscheinlich tatsächlich nur stoisch zu ertragen gewesen. Wobei Seneca, so Börse Online, über ein Vermögen von nach heutigen Äquivalenten 300 Millionen Euro verfügt haben soll. Geld beruhigt, heißt es ja bekanntlich. Dabei betonte Seneca: "Nicht auf die Größe des Vermögens, sondern auf die des Geistes kommt es an"!
Appetit
Wer pubertierende Kinder hat, weiß die Überschrift der Börsen-Zeitung richtig zu würdigen: „Großer Hunger auf Chips“. Der ist schließlich kaum zu stillen, vor allem, weil es voluminöse Chips-Trommeln nur zu Zeiten internationaler Fußballwettbewerbe zu geben scheint. Die Börsen-Zeitung verstand darunter allerdings den unersättlichen Bedarf der Automobilindustrie nach Chips. Nicht zu deuten wussten wir die – trotzdem sehr ansprechende – Illustration mit drei laufenden Windhunden in blauer Farbe und dem Aussehen von Platinen. Soll die Autoindustrie auf den Hund gekommen sein? Rennen die Chips von dannen? Die Augsburger Allgemeine stellte dann noch fest, dass es in der Wirtschaft genauso läuft wie im heimischen Warenlager: "Halbleiter-Experte: Den Chipmangel hat die Industrie selbst verschuldet."
Autor der Presseschau: Ulrich Kirstein, Bayerische Börse AG