Nord LB – Economic Sentiment: Stimmungseinbruch ist Wasser auf die Mühlen der EZB

Soeben hat die Europäische Kommission aktuelle Daten zu ihrer monatlichen Verbraucher- und Unternehmensumfrage in der Eurozone und der gesamten EU veröffentlicht. Wie erwartet hat sich die Stimmungslage gegenüber dem Vormonat eingetrübt, der Rückgang fiel aber stärker als erwartet aus. Der Economic-Sentiment-Indikator (ESI) sank im Berichtsmonat Januar um 1,7 auf 105,0 Punkte, blieb damit jedoch auf relativ hohem Niveau und deutlich oberhalb des langjährigen Mittelwerts. Der Rückgang kommt nach den turbulenten Wochen an den Finanzmärkten nicht wirklich überraschend, zumal auch einige wichtige nationale Stimmungsindikatoren wie der ifo Geschäftsklimaindex im Januar den Marktkapriolen Tribut zollen mussten und den Rückwärtsgang eingelegt haben. Trotz des scharfen Rückgangs sehen wir aber noch keinen Grund für Alarmstimmung, da der ESI auf dem jetzigen Niveau eine Fortsetzung des konjunkturellen Aufschwungs in der Eurozone signalisiert. Die Konjunkturrisiken haben jedoch klar zugenommen.
Der ausgeprägte Rückgang des Gesamtindex in der Eurozone auf den tiefsten Stand seit fünf Monaten geht auf Stimmungseintrübungen in praktisch allen Sektoren mit Ausnahme des Einzelhandels zurück. Besonders ausgeprägt fiel der Rückgang im Industrie- und Dienstleistungssektor aus. Das Industrievertrauen sank auf -3,2 Punkte, während sich das Dienstleistervertrauen auf 11,6 Punkte verringert hat. Das Konsumklima schwächte sich hingegen nur vergleichsweise moderat ab, das Verbrauchervertrauen notiert bei -6,3 Punkten.
Unter den fünf größten Volkswirtschaften sind zu Beginn des Jahres 2016 Verbesserungen gegenüber dem Vormonat lediglich in Frankreich (+1,1 auf 103,2 Punkte) sowie in den Niederlanden (+0,6 auf 104,9 Punkte) zu verzeichnen. Dem standen jedoch teils deutliche Einbußen in Deutschland (-2,1 Punkte), Italien (-1,7 Punkte) und insbesondere Spanien (-4,1 Punkte) gegenüber. Letzteres dürfte zu einem nicht unwesentlichen Ausmaß auch auf die politische Unsicherheit nach der Parlamentswahl zurückzuführen sein. Alle großen Volkswirtschaften liegen jedoch noch immer teils deutlich oberhalb der Marke von 100 Punkten, die dem langjährigen Mittelwert entspricht. Bemerkenswert ist der nochmalige Sprung des Indikators für Griechenland auf 91,6 Punkte. Offensichtlich erholt sich das Land deutlich schneller von den Verwerfungen Mitte letzten Jahres, als Griechenland kurzzeitig am Rande eines Euro-Austritts stand.
Die befürchteten negativen Auswirkungen der Konjunkturschwäche einiger Emerging Markets sowie der Marktverwerfungen seit dem Jahreswechsel sind nun auch in der Unternehmens- und in geringerem Umfang auch in der Verbraucherstimmung angekommen. Auch die US-Notenbank hatte gestern angekündigt, die globalen Risiken und Marktentwicklungen stärker in den Blick nehmen zu wollen. Die heutigen Daten sind Wasser auf die Mühlen der Anhänger einer noch expansiveren Geldpolitik in der EZB. Mario Draghi hatte zuletzt recht unmissverständlich eine weitere geldpolitische Lockerung für die nächste Sitzung im März angekündigt. Es stellt sich eigentlich nur noch die Frage, wie groß der neuerliche Impuls aus dem EZB-Tower ausfallen wird.
Fazit: Zum Jahresauftakt 2016 hat sich die Stimmung in der Eurozone deutlich eingetrübt. Der Economic-Sentiment-Indikator (ESI) sank stärker als erwartet auf 105,0 Punkte, den tiefsten Stand seit fünf Monaten. Damit sind die Marktverwerfungen und die globalen Konjunktursorgen auch in der Unternehmensstimmung angekommen. Das Konsumklima zeigte sich hingegen noch vergleichsweise stabil. Dennoch sind die heutigen Zahlen sicher Wasser auf die Mühlen der EZB, die im März ihre Geldpolitik weiter lockern dürfte.