Nord LB – ZEW-Umfrage: Marktkapriolen bewirken nur leichte Stimmungseintrübung
Vor wenigen Minuten hat das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim die Ergebnisse der jüngsten Konjunkturumfrage veröffentlicht. Demnach sind im Januar die Konjunkturerwartungen sowohl für die Eurozone als auch für Deutschland gesunken, wie nach den Finanzmarktturbulenzen seit dem Jahresanfang auch nicht anders zu erwarten war. Erfahrungsgemäß reagieren die an der Umfrage teilnehmenden Analysten, Volkswirten und Fondsmanagern stark auf derartige Marktbewegungen. Allerdings fällt der Rückgang vergleichsweise moderat aus: Im Januar sanken die Konjunkturerwartungen für Deutschland von 16,1 auf 10,2 Saldenpunkte. Hier war – nach den Vorgaben der sentix-Umfrage – ein stärkerer Rücksetzer zu befürchten.
Zugleich verbesserte sich die Lageeinschätzung noch einmal von 55,0 auf 59,7 Saldenpunkte. Dies mag mit der Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes am vergangenen Donnerstag zum BIP-Wachstum im Jahr 2015 zusammenhängen. Der Schnellschätzung zufolge legte die reale Wirtschaftsleistung im letzten Jahr um 1,7% im Vergleich zu 2014 zu. Vor allem der private und öffentliche Konsum trugen hierzu bei, immerhin zusammen rund 1,5 Prozentpunkte. Nur gering waren hingegen die Wachstumsimpulse von den Investitionen und den Nettoexporten. Allerdings verdeckt das mit der starken Binnennachfrage einhergehende hohe Importwachstum ein wenig die insgesamt ordentliche Exportentwicklung.
Einen stärkeren Rückgang verzeichneten die Konjunkturerwartungen für die Eurozone, die von 33,9 auf nur noch 22,7 Saldenpunkte. Dies entspricht in etwa unseren vorherigen Erwartungen. Offenbar haben die Sorgen um die konjunkturelle Verfassung in China und die Marktkapriolen seit dem Jahreswechsel zu einer im Vergleich zu Deutschland stärker ausgeprägten Erwartungskorrektur hinsichtlich der Entwicklung in der Eurozone geführt. Wir interpretieren dies so, dass der deutschen Volkswirtschaft derzeit aufgrund der robusten Verfassung der Binnenkonjunktur eine höhere Widerstandsfähigkeit gegen mögliche externe Schocks zugebilligt wird.
Insgesamt ist die heutige Umfrage trotz des Rückgangs vor dem Hintergrund der heftigen Marktbewegungen als leicht positive Überraschung zu werten. Grundsätzlich sind wir weiterhin optimistisch für die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland gestimmt und erwarten ein BIP-Wachstum von 1,9% für 2016. Der Ölpreisverfall wirkt wie ein kleines Konjunkturprogramm, zudem sorgt ein anhaltendes Wachstum bei Reallöhnen und Beschäftigung für ähnlich gute Bedingungen für den privaten Konsum wie im letzten Jahr. Chinas Wachstum hat sich im letzten Jahr zwar auf 6,9% verringert, eine harte Landung zeichnet sich damit aber noch nicht ab.
Für die EZB sind die heutigen Zahlen eine gute Nachricht. Immerhin haben die Marktverwerfungen derzeit noch keinen regelrechten Stimmungseinbruch zur Folge. Allerdings ist der konjunkturell durchaus stützend wirkende niedrige Ölpreis für die EZB eine große Herausforderung. Bereits im März wird sie ihre Inflationsprognose aus dem Dezember von 1,0% für das laufende Jahr wohl halbieren müssen. Am Donnerstag steht Draghi ein kommunikativer Drahtseilakt bevor.
Fazit: Die ZEW-Konjunkturerwartungen für Deutschland haben sich im laufenden Monat entgegen den Erwartungen nur leicht auf 10,2 Punkte verringert. Parallel verbesserte sich sogar noch einmal die Lageeinschätzung auf 59,7 Punkte. Trotz der Sorgen um China und die Marktverwerfungen seit dem Jahresbeginn hat sich somit die Stimmung nur leicht eingetrübt. Die starke Binnenkonjunktur macht Deutschland widerstandsfähiger gegen externe Schocks. Wir halten daher an unserer Prognose von 1,9% Wachstum für 2016 fest.