Commerzbank: Zur unsäglichen Quantitative-Easing-Debatte – die EZB spielt mit ihrer Unabhängigkeit
Die EZB stimmt die Märkte immer mehr auf den breitangelegten Kauf von Staatsanleihen ein. EZB-Vize Constancio deutete am Mittwoch an, man wolle darüber im 1. Quartal entscheiden. Vor allem aber elaborierte EZB-Chef Mario Draghi vergangenen Freitag die Wirkungsmechanismen, auf welche die EZB dabei setzt. Es ist maßgeblich der „Portfolioanpassungseffekt“, von dem sie sich zugleich Signalwirkung erhofft. Kauft die EZB risikoarme Staatspapiere, werden Banken und Anleger in risikoreichere Anlagen gedrängt, deren Renditen dann gleichfalls sinken – und Kurse steigen. Dies lässt die Vermögenswerte der Banken und Unternehmen steigen und verbessert bei ersteren die Fähigkeit zur Kreditvergabe, bei letzteren die Kreditwürdigkeit. Ob diese erhoffte Durchflusssteigerung durch den „Kreditkanal“ in nennenswertem Umfang eintritt, darf bezweifelt werden, solange viele Kreditnehmer noch auf einem hohen Schuldenberg sitzen und Banken an schlechten Krediten laborieren. Hand-fester scheint schon eher seine Erwartung, dass Anlagemittel in höherverzinsliche Auslandsanlagen fließen und dadurch den Euro schwächen. Dieser Trend ist durch die vergleichsweise schwache Konjunktur und wohl noch sehr lange währende EZB-Nullzinspolitik ohnehin angelegt – vor allem gegenüber dem USD; QE wird diesen Basistrend nur akzentuieren. Die Nebenwirkungen spielt die EZB herunter; wir halten sie für erheblich – vor allem auf lange Sicht. Nur soviel: Die Liquiditätsschwemme begünstigt das Entstehen neuer Blasen an den Finanzmärkten. Zudem hat QE erhebliche Verteilungswirkungen zwischen Vermögenden und Schuldnern; es stellt sich die Legitimierungsfrage dieser „Umverteilung“ – und sie begünstigt das Drängen auf stärkere „politische“ Kontrolle der EZB. Hinzu kommt die Gefahr der „fiskalischen Dominanz“: die Rücksichtnahme auf fiskalische Belange; sie setzt ein noch größeres Fragezeichen hinter die Unabhängigkeit der EZB.
Zinsen und Anleihen
Gestern blieb der Handel in den USA wegen des Thanksgiving Day geschlossen. Trotzdem kam an den Rentenmärkten Dynamik auf. Im November sank die Inflationsrate in Deutschland wie erwartet - nach den Daten aus sechs Bundesländern - von 0,8 auf 0,6% J/J. Dies war der tiefste Stand seit Februar 2010. Grund für den erneuten Rückgang waren vor allem günstigere Energiepreise, aber auch Nahrungsmittel und Pauschalreisen verbilligten sich. Es ist auch noch nicht mit einem Ende der Disinflation zu rechnen. Die OPEC beschloss gestern keine Produktionskürzungen; der Ölpreis fiel daraufhin auf 71 USD/Barrel. Selbst wenn der Rohölpreis seine Talfahrt beenden sollte, dürfte die Disinflation weitergehen, denn die Ölimporteure geben ihre günstigeren Einkaufs-preise erst mit zeitlicher Verzögerung weiter. Die deutsche Inflationsrate könnte daher im Dezember sogar nahe 0% fallen. Das gab den Rentenmärkten Rückenwind, denn die Wahrscheinlichkeit von Staatsanleihekäufen durch die EZB wächst damit (siehe im Blickpunkt). Zudem hielten EZB-Notenbanker Reden, die solche Käufe in Aussicht stellten. Staatsanleihen mit 10-jähriger Laufzeit erreichten dadurch in Deutschland (0,70%), Frankreich (0,99%), Österreich (0,85%) und den Niederlanden (0,82%) neue Rekordtiefs. Dies war auch in der Euro-Peripherie zu beobachten. In Deutschland drückte der Herbstaufschwung die Arbeitslosigkeit. Die Zahl der Arbeitslosen fiel auf 2,717 Mio., ein neues Dreijahrestief. Der Wert verfehlte nur knapp das Rekordtief von 2011. Die Anzahl der Beschäftigten stieg erstmals auf knapp über 43 Mio. Die gute Arbeitsmarktentwicklung zeigt sich auch im GfK-Konsumklima, das im Dezember auf 8,7 Punkte stärker als erwartet anstieg.
Aktien
Die seit Mitte Oktober 2014 anhaltende Aufwärtstendenz an den europäischen Börsen setzte sich auch am gestrigen Handelstag weitgehend fort. Der Geldsegen der Zentralbanken, gute Konjunkturdaten aus Europa (aus Deutschland kamen gute Arbeitsmarktzahlen) sowie der fallende Ölpreis (niedrigster Stand seit mehr als vier Jahren) sind nach wie vor wichtige Kurstreiber für die Aktienmärkte. Der Dax (+0,6%) stieg im Tagesverlauf bis auf 9.992 Punkte, bevor leichte Gewinnmitnahmen einsetzten. Die Notierung von Infineon (-2,4%) zählte nach Vorlage von Geschäftszahlen und einem relativ enttäuschenden Ausblick zu den Tagesverlierern. Gefragt war dagegen nach positiven Unternehmensnachrichten die Aktie der Deutschen Lufthansa (+2,9%). Auf europäischer Sektorebene waren v.a. Werte aus der Branche Reise & Freizeit gesucht (+1,9%). Dagegen standen Aktien aus dem Bereich Öl & Gas (-4%) infolge der Baisse beim Ölpreis unter kräftigem Verkaufsdruck. Die Börsen in den USA hatten gestern feiertagsbedingt (Thanksgiving) geschlossen und handeln heute nur halbtags, so dass es relativ wenig Impulse von der Wallstreet geben dürfte. Die Börsen in Asien tendierten uneinheitlich. Der Schanghai A-Index (+2%) setzte seinen jüngsten kräftigen Aufwärtstrend fort. Neben der Fantasie in Bezug auf eine weitere Öffnung bzw. Liberalisierung der Kapitalmärkte sorgte die überraschende Zinssenkung der Notenbank vor einer Woche für zusätzliches Kaufinteresse. Börsengehandelte Indexfonds, die den chinesischen Aktienmarkt abbilden, verzeichneten in den vergangenen Wochen deutliche Zuflüsse. Auch der Nikkei 225-Index gewann 1,2%. Hier halfen u.a. der schwächere Yen sowie eine besser als erwartet ausgefallene Industrieproduktion. Im Fokus standen Luftverkehrswerte wie ANA Holdings (+7,4%), die infolge des Einbruchs beim Ölpreis kräftig Aufwind bekamen.