Commerzbank: Transatlantische Divergenzen
Die Industrieproduktion im Euroraum hat sich vom Einbruch im August, der zum Teil auf die späten Sommerferien in Deutschland zurückzuführen war, erholt. Doch steht im Gesamtquartal ein Rückgang von 0,5% gegenüber dem Vorquartal zu Buche. Aufschlussreich ist vor allem der Vergleich mit den USA. Dort ist die Industrieproduktion im abgelaufenen Quartal um 0,8% Q/Q gestiegen. Mehr noch: Seit Frühjahr 2009 wächst dort die Produktion recht kontinuierlich, ihren Vorkrisenstand hat sie seit rund einem Jahr überschritten. Davon ist der Euroraum noch meilenweit und sein Musterschüler Deutschland noch ein gutes Stück entfernt. Der realwirtschaftlichen Divergenz zwischen dem Euroraum und den USA wird eine geldpolitische folgen.
Zinsen und Anleihen
Die Rentenmärkte tendierten gestern freundlich. Die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen ging zwischenzeitlich wieder auf unter 0,80% zurück. Unterstützt haben die etwas gestiegene Risikoneigung der Anleger sowie schwächer als erwartete Konjunkturdaten. So erholte sich die Industrieproduktion im Euroraum im September zwar wieder, aber weniger als erwartet (siehe im Blickpunkt). Am Primärmarkt begab Deutschland eine zweijährige Schatzanweisung im Volumen von 5 Mrd. EUR und einer Rendite von minus 0,05%. Zudem refinanzierte sich Portugal erfolgreich mit einer zehnjährigen Staatsanleihe mit einem Volumen von 1,2 Mrd. EUR. Die britische Notenbank (BoE) veröffentlichte gestern ihren vierteljährlichen Inflationsbericht. Danach dürfte die Wirtschaft Großbritanniens in 2015 um 2,9% und in 2016 um 2,6% wachsen, also um je 0,2 Prozentpunkte weniger als im Inflationsbericht vom August. Das Wachstum für dieses Jahr wurde bei 3,5% belassen. Deutlicher wurde die Inflationsprognose nach unten genommen: So dürften die Verbraucherpreise in diesem Jahr nur um 1,2% (nach 1,9%), in 2015 um 1,4 (nach 1,7%) und 2016 um 1,8% ansteigen. Notenbankchef Carney nannte keinen Zeitpunkt für den Beginn der Leitzinserhöhungen. In den letzten Monaten haben sich die Leitzinserwartungen für die BoE deutlich geändert. Bis vor kurzem gingen die meisten Marktteilnehmer noch davon aus, dass die britische Notenbank den Zinserhöhungszyklus vor den USA beginnen wird. Inzwischen wird vielfach bezweifelt, ob die BoE aufgrund der rückläufigen Inflationsentwicklung und schwachen Lohnentwicklung schon im ersten Halbjahr 2015 mit Zinsanhebungen beginnen wird. Das britische Pfund gab nach Veröffentlichung des Berichts deutlich nach.
Aktien
Die europäischen Aktienmärkte tendierten gestern schwächer. Die Leitindizes gaben um bis zu 2,9% (Italien) nach. Verantwortlich für die Gewinnmitnahmen zeichneten vor allem schwächere Konjunkturdaten aus Deutschland (Senkung der BIP-Prognose für Deutschland für 2014 und 2015 durch die Wirtschaftsweisen). Damit traten die jüngsten positiven Impulse durch die expansive Geldpolitik in Europa und Japan gestern in den Hintergrund. Zudem bestimmten Quartalsberichte das Geschehen. So fiel der Kurs von Eon nach Vorlage von Geschäftszahlen um 3,4% (RWE: -3,5%). Die Versorger zählten damit zu den großen Verlierern im Dax (-1,7%). Auch Bankwerte (Deutsche Bank: -1,9%) gaben vor dem Hintergrund belastender Meldungen (Strafen wegen des Devisenskandals) spürbar nach. Die Notierung der Deutschen Post verlor nach Vorlage von Zahlen rd. 3,2%. Auf europäischer Sektorebene zählten Versorgerwerte mit durchschnittlichen Abschlägen von 2,4% zu den Tagesverlierern. Die geringsten Verluste wies der Rohstoffsektor (nahezu unverändert) auf. Die Börsen in den USA konnten ihre Rekordserie nicht fort-setzen. Die Leitindizes erlitten in einem nachrichtenarmen und weitgehend impulslosen Handel allerdings nur minimale Verluste. Auf Sektorebene (S&P 500) standen wie in Europa v.a. Versorgertitel (-2%) unter Druck. Telekomwerte gewannen als Tagessieger im Schnitt 0,8%. Die Börsen in Asien tendierten uneinheitlich. Während der Nikkei 225 seinen Aufwärtstrend fortsetzte, kam es in China zu Gewinnmitnahmen. Hier drückten schwächere Zahlen zur Industrieproduktion.