Commerzbank: Die EZB im Abwartemodus – hält aber weitere Lockerungsphantasie aufrecht
Nach den wegweisenden Entscheidungen vom Vormonat fasste die EZB bei der gestrigen Ratssitzung erwartungsgemäß keine neuen geldpolitischen Beschlüsse. Neu waren indes technische Details zur Ausgestaltung der zweckgebundenen Langfristtender (TLTRO). Insgesamt gewann man bei der Pressekonferenz den Eindruck, dass die EZB keinen Anlass sieht, bald mit neuen Maßnahmen aufzuwarten. Doch arbeitet sie weiterhin an einer Wiederbelebung des Markets für besicherte Kredite (Asset Backed Sekurities, „ABS“). Die Stoßrichtung ist hier wie bei den TLTRO-Geschäften, die Kreditvergabe an kleine und mittlere Unternehmen zu fördern, denen zumeist der Zugang zum Kapitalmarkt fehlt und die daher auf Bankkredite angewiesen sind. Durch Verbriefungen könnten Banken ihre Bilanz entlasten; sie gewännen dadurch wieder mehr Spielräume zur Kreditvergabe. Ein möglicher Ankauf von ABS-Papieren durch die Notenbank könnte dann zu einer „quantitativen Lockerung“ nach Art der EZB werden. Generell hielt sich die EZB eine großangelegte quantitative Lockerung offen, machte aber auch deutlich, dass man zu dieser nur dann greifen wolle, wenn die Phase einer zu niedrigen Inflation zu lange andauern sollte. Vom Inflationsausblick hänge auch ab, wie lange der Leitzins auf dem aktuellen Niveau bleibe, erläuterte der EZB-Chef, der in einem Interview vor 14 Tagen noch suggeriert hatte, dass ihm bis Ende 2016 (solange bietet die EZB die normalen Refinanzierungsgeschäfte ohne Mengenlimitierung an) ein unverändertes Leitzinsniveau vorschwebt. Ab 2015 wird die EZB ihren bislang monatlichen geldpolitischen Sitzungsturnus auf einen 6-Wochenrhythmus umstellen (ähnlich dem der Fed). Ein Argument war: Beim jetzigen kurzen Intervall bauten sich oft selbsterfüllende, ungerechtfertigte Erwartungen auf, die wenig mit den Fundamentaldaten zu tun hätten. Ab 2015 will die EZB auch Sitzungsprotokolle veröffentlichen.
Zinsen und Anleihen
Die Rentenmärkte nahmen vor der turnusmäßigen EZB-Ratssitzung und den US-Arbeitsmarktdaten (wegen Feiertag heute wurden sie schon am Donnerstag gemeldet) eine abwartende Rolle ein, zumal es am Vormittag auch keine neuen Impulse gab. Die Einkaufsmanagerindizes für den Dienstleistungsbereich im Euroraum fielen im Rahmen der Erwartungen aus. Am Nachmittag zogen die Renditen, ausgehend von den USA jedoch merklich an. Die US-Wirtschaft hat im Juni außerhalb der Landwirtschaft 288.000 neue Stellen geschaffen und damit gut 70.000 mehr als erwartet. Die Arbeitslosenquote fiel von 6,3 auf 6,1%, den tiefsten Stand seit rund 6 Jahren. Die Rendite 10-jähriger US-Treasuries stieg kurzeitig um 5 Bp. auf 2,68%, das höchste Niveau seit 2 Monaten. Die Renditen von Bundesanleihen stiegen ebenfalls an, aber moderater. Der Renditevorteil 10-jähriger US-Anleihen ggü. Bundesanleihen erhöhte sich gestern auf 137 Bp. - ein 15-Jahreshoch. Dies hat neben der konjunkturellen Entwicklung vor allem seinen Ursprung in der zunehmenden Entkoppelung der Notenbankpolitik. Während die EZB weiter lockert (siehe auch dazu „Im Blickpunkt“), fährt die US-Notenbank den monetären Expansionsgrad zurück. Im Laufe der EZB-Pressekonferenz gab der EUR ggü. dem USD zwischenzeitlich auf 1,36 USD nach. Gestern senkte die schwedische Notenbank ihren Leitzins von 0,75 auf 0,25% und damit kräftiger als erwartet. Darauf-hin schwächte sich die schwedische Krone (SEK) ggü. dem EUR deutlich ab. Auch die norwegische Krone kam unter Druck. Am Primärmarkt platzierte Spanien ein Volumen von 4,5 Mrd. EUR mit 6- und 30-jährige Staatsanleihen. Frankreich brachte ein Gesamtvolumen von 8,5 Mrd. EUR unter. Der US-Markt bleibt heute wegen Feiertags geschlossen.
Aktien
An den europäischen Aktienmärkten ging es gestern weiter aufwärts. Positiv wirkte dabei eine Mischung aus guten US-Makrodaten und Äußerungen von EZB-Chef Draghi, der einmal mehr bestätigte, dass die EZB die Zinsen niedrig halten wolle. Letztendlich nichts Neues, aber dennoch von den Börsianern immer wieder gern gehört. Die Aufwärtsbewegung gewann aber erst am Nachmittag mit der freundlich tendieren Wall Street an Schwung. So konnte der Dax erneut die 10.000er Marke überschreiten. Für ein neues Rekordhoch fehlen allerdings noch rd. 20 Punkte. Einziger Verlierer im Dax waren VW (-0,2%), die unter Spekulationen litten, den LKW-Hersteller Paccar (+5,4% im US-Handel) übernehmen zu wollen. Auf Branchenseite waren zyklische Sektoren gefragt. So konnten Grundstoffwerte (+2,1%) erneut zulegen, aber auch IT (+1,6%, Ingenico (+9,7%) übernimmt einen Online-Zahlungsanbieter) und Versicherungen (+1,4%) waren überdurchschnittlich gefragt. Versorger (-0,2%) schlossen als einziger Sektor im Minus, obwohl RWE (+2,1%) von einem positiven Analystenkommentar deutlich profitieren konnten. Die US-Indizes notierten im verkürzten Handel ebenfalls freundlich. Dow Jones und S&P500 erreichten neue Rekordhochs. Auch hier sorgte die Aussicht auf eine anhaltend lockere Geldpolitik und eine moderat anziehende Konjunktur für Kaufbereitschaft. Der Handel verlief vor dem heutigen Feiertag dabei recht ruhig. Wie bereits in Europa führten zyklische Branchen (Industrie +0,8%, Gebrauchsgüter +0,8%) die Gewinner an. Einziger Verlierer waren die Versorger (-1,1%). In Asien sorgen die positiven Vorgaben ebenfalls für eine positive Grundstimmung und leicht steigende Kurse. Auch hier sind zyklische Titel bevorzugt.